Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

346 Erster Theil. Siebenter Titel. 
§. 128. Der Besitz eines Untersagungsrechts geht verloren, wenn der Andere 
sich rn den Besitz des entgegenstehenden negativen Rechts (des Rechts etwas zu thun) ge- 
setzt hat. 
§. 129. In sofern durch die Uebergabe von Sachen zugleich Rechte an einen An- 
dern übertragen worden (S. 77), in soße wird dadurch auch der Besitz des vorigen 
Besitzers aufgegeben. 
§. 130. Uebrigens wird der einmal erlangte Besitz eines Rechts durch die un- 
Kagserr sernere Ausübung desselben in der Regel noch nicht verloren 70). (Tit. 9, 
n. 9.) 
§. 131. Der Besitz einer Sache oder eines Rechts, welcher einem Andemn nur 
auf eine gewisse Zeit, oder unter einer auflösenden Bedinzung eingeräumt worden, hört 
mit dem Ablaufe der Zeit, oder mit dem Eintritte der Bedingung von selbst auf 0%. 
an, unter welchen Voranssetzungen das Unterlassen der Ausübung der Servitut den Verlust des 
Rechtsbesitzes bewirke, nämlich, wenn der Eigenthümer dem bioherigen Besitzer des Wegerechts das 
sernere Gehen k. untersagt, und dieser in Folge dessen davon absteht. 98. 86 u. 130 d. T. — 
(5. A.) S. auch oben, Anm. 533, Abs. 2 zu §. 86 d. T. 
80) Eine Ansnahme gilt bei Rechten, die nur zu gewissen Zeiten oder Gelegenheiten auszju- 
üben sind: von diesen geht der Besitz durch nicht gerechtfertigte Nichtbenutzung einer Gelegenheit ver- 
loren. Tit. 9, §#§. 651, 653, 654. 
80 ) (3. A.) Diese Bestimmung soll auch auf den Pachtbesitz anwendbar sein, dergestalt, daß 
der Verpächter befugt sein soll, den Pächter nach Ablauf der Pachtzeit aus dem Besitze zu feben 
In der Zusammenstellung der bei dem Obertr. angenommenen Wl über das poss. summ. 
(J. M. Bl. 1854, S. 107) wird nämlich, nachdem der unbezweiselte Grundsatz: „mit der Beendigung 
des Rechts zum Besibe hört der Besitz an sich noch nicht auf“, ansgeführt worden, gesagt: „Der — 
Grundsatz hindert jedoch den Verpächter nicht, einen Pächter, dessen Pachtzeit nach Inhalt des Ver- 
trages abgelanfen ist, der Pacht zu entsetzen. Denn der Becsitz einer Sache oder eines Rechts, wel- 
cher einem Anderen auf eine gewisse Zeit oder unter einer anflösenden Bedingung eingeräumt wor- 
den, hört mit dem Ablaufe der Zeit oder dem Eintritte der Beding ng aus. Auch wird ein solcher 
Besitz durch die sortgesetzte Gewahrsam nicht ferigeeett (§§. 131, 132). Der frühere Besitzer ist als- 
daun bloßer Inhaber, uud kann von dem, in dessen Namen er besitzt, nach S. 144 a. a. O. der 
Gewahrsam zu allen Zeiten entsetzt werden. Nur darf dies nicht mitelst einer dem F. 145 a. a. O. 
widerstreitenden Privatgewalt gescheden-. Hingewiesen ist dabei auf die Erk. des Obertr. p. 23. April 
1352, 23. Juni 1852 und 11. Febr. 1853. Diese Lehre und die dadurch gerechtsertigt sein sollende 
Rechtsanwendung ist irrig. Der Pachter ist nicht erst alsdann (am Ende der Pachtzeit) bloßer 
Inhaber, sondern er ist es von Anfang, denn er ist umvollstäudiger Besitzer und als solcher ist er 
Indaber der Sache, aber wirklicher Besitzer seines Pachtrechts. §§. 6, 9. Der Gegenstand der Ge- 
wahrsam und der Gegenstand des Besitzes des Pächters sind ganz verschiedene Dinge. Soll nun die 
Eigenschaft des Pächters als Inhabers der Sache der Necktegrund sein, ihn eigenmächtig aus dem 
Pachtgute wersen zu dürsen; so muß dies nicht bloß erst nach Ablauf der Pachtzeit, sondern schon 
zu Aufang und zu jeder anderen beliebigen Zeit während der Daner des Komrakts geschehen können, 
solglich ist der Grund, da der Rechtsstand unbestritten ein anderer ist, unrichtig. Geht aber die 
Meinung dahin, daß alsdann (am Ende der Pachtzeit) der Pächter auch Inhaber des Pachtrechts 
würde, und der Verpächter wahrer Besitzer davon sei: so ist dies wieder offenbar unrichtig, da der 
Verpächter niemals sein eigener Vächter oder Besitzer des Pachtrechts seines Pächters sein kann, und 
von ihm auch diese juris quag possessio nicht auf den Pächter übergegangen ist, da er selbst sie nie 
gehabt hat: der Pachtbesitz als Rechtsbesitz ist seitens des Pächters ursprünglich erworben; er ist nicht 
von dem Verpächter #n Sinne des §. 131 auf ihn Übertragen und der Verpächter kann niemals 
Besitznachsolger des Pächters werden, wie es ein Cessionar des Pachtrechts (Afterpächter) zu werden 
vermag. Die Bestimmung der 88. 131, 132 paßt mutin nicht auf den Pachtbesitz, sie bezieht sich 
auf den Stellvertreter oder auf den (bedingten oder betagten) Nachfolger des Besitzers in ebendem- 
selben Besitze. (5. A.) Eine wiederholte Anwendung von seiner Lehre macht das Obertr. in einem 
Erk. v. 9. November 1863, wo zur Widerlegung der Eutscheidungsgründe des kassirten ersten Er- 
kenntnisses kein Wort gesagt wird. Es heißt, der vorige Richter habe außer Acht gelassen, daß bei 
erloschenem Besitze des Klägers als Pächters derselbe seiner Gewahrsam allerdings entsetzt werden 
durfte. Dabei wird auf jene Zusammenstellung S. 107 verwicsen. Was dagegen zu sagen ist, wird 
ignorirt. (Arch. s. Rechtof. Bd. LII. S. 91.) 
6. A.) Von gleichem Werthe ist die Rechtsanwendung, welche das Obertr. in seinem Erl. vom 
28. Sept. 1860 Entsch. Bd. XIIV, S. 44) auf den Pfandbesitz eincs nutzbaren Grundstücks macht. 
Die Theorie führt zur Beseitigung aller Kontraktsklagen auf Rückgewähr von zur Nutzung oder zum 
 
	        
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