Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Gewahrsam und Besitz. 353 
  
(t. A.) Bei einer Fußwege-Gerechtigkeit Üüber einen Acker ist vermöge des Servitutendesitzes nichts 
weiter als die Ausllbung der itut, im vorliegenden Falle also die Benutzung des Fußsteiges zum 
Darübergehen, . Eigenthumebesitzes rm"e jegliche Benutzung, welche die Serviklut nicht 
beeinträchtigt, ermögli Wenn nun der Servitutsberechtigte den Fußsteig vertieft und terrassirt, und 
damit Handlungen Ubt, die nicht in das ihm nur gestattete Gehen Über den Fußsteig fallen und da- 
rum als Eigenmacht erscheinen; so wird der Eigenthumsbesitzer dadurch in seinem Sachbesitze um so 
mehr turbirk, als sein Sachbesitz sich nicht darauf beschränkt, Über jenen Steig nur gehen zu dürfen, 
ihm vielmehr, soweit er die Fußwegegerechtsame nicht schmälert, jede Benutzung des Steiges, also 
auch die gebührt, darüber hinweg mit Wagen oder Pflug zu ziehen. Erk. des Obertr. vom 10. Juni 
u#s1. En. Bd. XIVI, S. 57). Bergl. über den umgekehrten Fall unten die Anm. 20 zu §. 29, 
it. 22. 
(5. A.) Ist der Taxwerth eines zu exproprürenden Grundstückes Seitens des Expropriationsbe- 
recheigten weder gezahlt noch deponirt, so bleibt der Eigenthümer berechtigt, gegen einc eigenmächtige 
Besitzstörung den gerichtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen, gleichviel, ob die befitzstörende Hand- 
lung vom Exrroprsattensbereihcigien selbst, oder von einem Dritten ausgegangen ist. Erk. des Obert. 
vom 20. Januar 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVIII, S. 108). 
(5. A.) Wenn der nach dem bestehenden Pachtverhältnisse zur Vornahme von Hauptreparaturen 
verpflichtete Verpächter eine solche Reparatur vorgenommen hat und dieselbe vornehmen mußte, weil 
die Baufälligkeit des abgerissenen Theiles des Gebäudes die Reparatur erforderte und sonach die Hand- 
lung des Berpächters zur Verbesserung des Gebäudes gereicht hat, so kann diese Handlung nicht als 
eine Turbation angesepen werden. Auch wenn durch die Reparatur das Gebäude kleiner geworden, 
dem Pächter also ein Theil desselben entgogen worden ist, den er bis dahin mit oder ohne Möglichkeit 
der Benutzung mit besaß, so dat sich der Verpächter, der zu der Vornahme der Reparatur ja auch 
berechtigt war, doch keine Turbation zu Schulden kommen lassen, sondern schlimmstenfalls, wenn er 
die Reparatur nicht so ausgeführt. wie er hätte thun sollen, wenn er den abgerissenen Theil des Ge- 
bäudes hätte wieder herstellen müssen, das Pachtrecht des Pächters, aber nicht dessen Besitz verletzt, 
und kann ihm dafür im Petitorien-, nicht aber im Possessorienprozesse verantwortlich sein. Erk. dess. 
vom 2. März 1868 (Arch. f. Rechisf. Bd. LXX, S. 124). 
97 #) (3. A.) Die Handlung erfordert, um Besitzstörung zu sein, die Absicht, den Besitz des Ge- 
stärten sich anzueignen, oder doch die Absicht des Handelnden, den Besitz des Auderen zu stören. 
Wer z. B. auf den an den Weg stoßenden Acker Übertritt, weil die Passage durch Ueberschwemmung 
*. ist, oder um einer entgegenziehenden Militärkolonne auszuweichen, will den Besitz des Herrn 
ieses Ackers gar nicht stören und stört ihn daher auch nicht. (Entsch. Bd. XVIII. S. 18; Rechtsf. 
Bd. VI, S. 294; J.M. Bl. 1854, S. 109.) (5. A.) Gleich wenig ist in dem Umstande allein, daß 
der Eigenthümer und Bermiether eines Hauses dasselbe ohne Zustimmung des Miethers betritt, eine 
rechtswidrige Turbation zu finden. Erk. des Obertr. vom 26. Juni 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIX, 
S. 270). Auch in einer von dem Pfarrer einer katholischen Gemeinde erfolgn Aufrichtung eines 
Kruzefipes auf dem, zeither zur Beerdigung von Katholiken sowohl wie von ngelischen benutzten, 
wenn auch sonft im Besitze der evangeicschen Gemeinde befindlichen Kirchhofe kann eine solche turbato- 
rische Absicht nicht gefunden werden, weil die zur Genügung eines religiösen Bedürfnisses Seitens des 
Pfarrers vorgenommene Handlung weder als auf Erwerb eines eigenen Besitzes, noch als auf die 
Beeinträchtigung des der evangelischen Gemeinde abzielend sich kundgiebt. Erk. dess. vom 11. Mai 
1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXIII, S. 185). — Dergleichen besondere Umstände, welche bei einer 
äußerlich sich als Turbation darstellenden Handlung dennoch die Besitzstörung ausschließen, begründen 
nur einen Einwand, müssen mihin von dem Beklagten behauptet und bewiesen werden. (J.M. Zl. 
1854, S. 110.) Vergl. oben, Anm. 24 zu §. 46, Tit. ö. — (5. A.) Die Seitens des Eigenthü- 
mers eines Hofraums geschehene Anlegung eines unverschlossenen Thorweges zu demselben, enthält 
bloß deshalb, weil derselbe eine Belästigung des Wegeberechtigten erzeuge, ohne daß behauptet wird, 
daß die Auslbung der Wegegerechtigkeit vereitelt werde, keine Turbation im Rechtsbesitz; die Annahme 
einer Turbation in diesem Falle verstößt wider den Rechtsgrundsatz, daß über die Grenzen der Be- 
fugnisse eines Eigenthümers und eines Servitutsberechtigten in der Regel nur in petitorio zu entschei- 
den ist. Erk. des Obertr. vom 4. Januar 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIII, S. 46). 
(4. A.) Die §§. 150, 151 setzen voraus, daß der Besitz, um dessen Schutz es sich handelt, noch 
besteht, insbesondere noch nicht rechtmäßig aufgehoben ist. Dieses Letztere aber ist geschehen, wenn in 
dem noch nicht rechtskräftig entschiedenen Petitorienprozesse der Richter das Appellationserkenmniß, wo- 
durch dem Besitzer das Recht zum Besitze abgesprochen wird, durch Besitzentsetzung vorlaufig vollstreckt. 
Lergegen sinder die Possessorienklage nicht statt. Erk. des Obertr. vom 7. März 1859 (Rechtsf. Bd. 
„e S. 64). 
(t. A.) Der Eigenthümer kann, auch wegen Störung eines einzelnen im Eigenthume liegenden 
Rechte die Besitzstörungsklage erheben, ohne dieselbe auf den gesammten, also auch auf den nicht be- 
einträchtigten, Theil seines Sachbesitzes zu erstrecken. Daher kann z. B. der Eigenthümer des Grund- 
stücks die Besitzstörungeklage auch auf den Schutz im Besitze des Rechts, das Grundstück zu befahren, 
richten. Erk. des Obertr. v. 19. Okt. 1860 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XL, S. 36). 
Koch, Allgemeinen Lanudrecht 1. 5. Anfl. 23
	        
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