Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

5) insonder- 
heit dei nutz- 
baren Grund= 
stücken. 
360 Erster Theil. Siebenter Titel. 
§. 191. Hat er aber Nutzungen, die in Zukunft erst fällig sind, zum voraus er- 
hoben, so muß er dieselben in soweit 17), als ihr Verfalltag erst nach dem Ende der 
Redlichkeit seines Besitzes eintritt, dem Eigenthümer berausgeben. 
§. 192. Bei Kapitalien und andern nutzbaren Rechten werden die etwa noch rück- 
ständigen Zinsen und Nutzungen nach dem Zeitpunkte, wo der redliche Besitz aufgehört 
hat, zwischen dem Eigenthümer und Besitzer getheilt. 
§. 193. Bei beweglichen 18) nutzbaren Sachen gehören dem Besitzer alle Früchte, 
die während der Redlichkeit seines Besitzes von der Substanz abgesondert worden. 
8. 194. Insonderheit gebört ihm das junge Vieh, sobald Kuhices von dem Leibe 
der Mutter getrennt ist. 
§. 195. Bei Landgütermn, Häusern 15) und anderen nutzbaren Grundstücken behält 
der redliche Besitzer alle und jede Früchte und Nutzungen vorhergehender Wirthschafts- 
keine Anwendung. Tit. 9, 65. 443, 444. Dem Benefizialerben kommen mithin hinsichtlich der Nu- 
hungen die Vortheile eines sonstigen redlichen Besitzers nicht zu Statten. (Entsch. des Obertr. Bd. XI, 
173. 
14) In foweit. Alfo pro rata temporis nach dem von Suarez ausgesprochenen Prinzipe 
(Anm. 12), nicht ganz und ungetheilt. Darüber ist Meinungsverschiedenheit. 
14 a) (2. A.) Bei unbeweglichen nutzbaren Sachen aber können auch unabgesonderte Früchte 
dem Besitzer zu Gute kommen, uamentlich auf dem Stamme verkauftes angeschlagenes Holz, oder 
auf dem Halme verkaufte Früchte, wenn sie dem Abläufer symbolisch oder durch Anweifung an Ort 
und Stelle Überwiesen worden sind. Suarez bemerkt nämlich zu §. 42, Tit. 7 des ersten Cn##wurfe 
(Simon, Zeitschr. Bd. III. S. 1383): „Die bloße Shheichmung ohne Widerspruch, z. B. bei Bäu- 
men im Walde, bei Holze im Wasser u. s. w., ist noch keine sisechreifung. Wenn sie aber auf 
vorhergegangene Anweisung geschieht, so geht alsdann allerdings der Besitz über.“ Was zur Besitz- 
ergreifung gehört, welche „auf vorhergegangene Anweisung geschieht“, ist freilich nicht gesagt, und es 
steht nichts im Wege, der Natur der Sache gemäß anzunehmen, daß die Besitzergreifung eben in der 
Wegnahme der „Bäume im Walde“ bestehe, mithin der Besitz, dessen Ergreifung die „Anweisung“ 
erlaubt und dadurch rechtlich möglich macht, doch eher nicht wirklich erworben sei., als bis der Erwer- 
ber den Gegenstand in seine körperliche Gewahrsam gebracht habe. Die Praxis des Obertr. hat aber 
angenommen, daß der Besitz von stehenden Bäumen durch symbolische Uebergabe, namentlich vermit- 
telst Anschlages mit dem Forsthammer, selbstständig und mit Verfolgbarkeit gegen jeden Dritten (das 
ist das Punktum) erlangt werden könne. (Entsch. Bd. XI, S. 201.) In den Motiven ist maucher 
Rechtsirrthum. — Bergl. oben, Anm. 79 zu §. 106, Tit. 2. 
15) Man ist verschiedener Meinung darüber, ob die Bestimmung dieses §. und die damit in 
Verbindung stehenden folgeuden Bestimmungen auf Häuser überhaupt, oder nur auf solche städtische 
Grundstücke zu beziehen, mit welchen Landwirthschaft verbunden ist. Es ist schwer, bei einer Gesetz- 
gebung, welche nicht Prinzipien ausspricht, sondern meistens mit einer Kafuistik zu thun hat, derglei- 
chen Fragen mit Sicherheit, aus Gründen der Wissenschaft, zu erledigen. Ich habe mich für den 
zweiten Fall entschieden, aus folgenden Gründen: a) wegen des Ausdrucks: „Wirthschaftsjahr“, dessen 
Gebrauch bei einem leeren Wohnhause doch nur sehr uneigentlich sein würde; d) wegen der Bestim- 
mung des §. 199: „das Wirthschaftsjahr wird bei solchen Grundstücken vom 1. Julius an gerech- 
net“, welches darauf deutet, daß man an Grundstücke, worauf Landwirthschaft getrieben wird, gedacht 
batz c) wegen der Ausdrücke des §. 201: „was zu den Früchten vordergehender und des letzten 
Wirthschaftsjahres gehöre“ u. s. w., welche auf natürliche Früchte hinweisen, während ein 
bloßes Haus doch nur Miethszinsen abwersen kann; d) wegen §. 170, Tit. 21, wo solche Grundstücke, 
mun welchen keine Landwirthschaft verbunden ist und nur fructus civiles tragen, mit Kapitalien und 
Gerechtigkeiten, die auch nur Zinsen und Remen abwerfen, zusammengestellt sind, woraus entnom- 
men werden kann, daß Satz und Gegensa natürliche Früchte und fructus civiles tragende Sachen 
sind; o) wegen der Rechtfertigung des Theilungsgrundsatzes von Suare:, daß sich bei Landwirth- 
schaften Früchte eines gewissen bestimmten Zeitpunktes gar nicht denken lassen, sondern nur von 
einem ganzen Wirthschaftsjahre bestimmt werden konne, was das Gut in diesem Jahre eingebracht 
habe. Der Zweifelsgrund dagegen, daß, wenn man die Vorschrift nicht auch auf bloße Häufer be- 
ziehen wolle, für diese Gattung der Immobilien eine Borschrift sehlen würde, — dieser Zweifels- 
grund ist zwar gewichtlos, indem die kructus civiles schon von selbst ihre Theilung nach der Zeit in 
sich fassen und darnach die erforderlichen Faktoren durch die Bestimmung des §. 192 gegeben find. 
Allein es ist nicht zu verkennen, daß jener Suarez'sche Rechtsertigungsgrund doch auch von blo- 
ßen Hänsern gilt, indem der Reinertrag erst nach Abzug der Verwendungen hervortritt und die Ver- 
wendungen nicht nach bestimmten Zeitabschuitten getheilt sind, wie die Unterhaltungskosten und die 
außerordemlichen Auflagen (Einquartirung, Kriegslasten) zeigen. Die Praxis ist noch nicht entschieden. 
 
	        
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