Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

364 Erster Theil. Siebenter Titel. 
§. 214. Doch darf der Besiter dem Eigenthümer Naturalien oder Dienste, die 
aus der Sache oder dem Gute selbst, zur Echaltung der Substanz, genommen und 
verwendet worden, niemals anrechnen. 
§. 215. Sind bei einem Inbegriffe von Sachen oder Rechten, Kosten zur Erhal- 
tung einer einzelnen darunter begriffenen Sache oder eines Zubehörs verwendet, und 
die Sache oder das Pertinenzstück ist dennoch nicht erhalten worden, so kann der Besitzer 
dafür keinen Ersatz fordem. 
5. 216. So weit die Erhaltungskosten aus den Nutzungen des Jahres, in wel- 
chem sie vorgefallen sind, haben genommen werden können, — weit ist der Eigenthü- 
mer zu keinem Ersatze verpflichtet! ). 
§. 217. Sind dergleichen Ausgaben zu gewissen, auf Abwendung künftiger Ge- 
fahren von der Substanz abzielenden, nützlichen Veranstaltungen gemacht worden, so 
fude der Ersatz nur in so fern statt, als diese Veranstaltungen noch wirklich vorhan- 
en sind. 
e) der Lasten, 8. 218. Alle von der Sache zu entrichtenden gewöhnlichen Lasten und Abgaben muß 
der Besitzer von der ganzen Zeit, wo ihm der Genuß der Früchte gebührt, übertragen. 
eer Dr §. 219. Für die Verschlimmerungen der Sache, die sich während seiner Besitzzeit 
riorationen. ereignet haben, darf der redliche Besitzer nur in sofern haften, als sie durch sein gro- 
bes Versehen entstanden sind ½7). 
e= §. 220. Die zur Auslieferung oder Uebergabe der Sache nothwendigen Kosten 
kosten. muß der Eigenthümer tragen. 
§. 221. Die Rechte des redlichen Besitzers, wegen des füc die Sache gezahlten 
Kaufwerthes, sowie die Rechte des Eigenthümers gegen den gewesenen Besitzer, welcher 
die Sache veräußert hat, sind gehörigen Orts bestimmt. (Tit. 15.) 
7 §. 222. Wenn kein früherer Zeitpunkt der Unredlichkeit des Besitzes ausgemiittelt 
s Sn werden kann, so wird der Tag der dem Besitzer durch die Gerichte geschehenen Behän- 
s reer digung der Klage dafür angenommen !75). 
  
wozu die Unkosten gehören, geht und zu ihrer rechtlichen Begründung nichts weiter erfordert als die 
Behauptung des bestimmten Arohibirionssa es. Daß der mit dem kranken oder sonst unbrauchbaren 
Thiere angeführte Käufer von demselben Nutzungen bezogen habe, folgt nicht nothwendig, ist vielleicht 
ganz unmoglich, jedenfalls aber eine Thatsache, welche dem Bekl. einen Einwand geben kann, nicht 
aber der Art ist, daß sie zur Bei- ründung der Klage von dem Kläger voraus ver neint werden 
müßte und ihn zum Beweise der Negative zwingen könnte. Mit dem Retentionerechte des in keinem 
obligatorischen Verhältnisse stehenden redlichen Besitzers hat es eine ganz andere Bewandtniß; dieser 
muß zu dessen Begründung freilich behaupten und nachweisen! daß und wieviel er vorerst 
noch herausbekomme: sons muß er die Sache ohne Weiteres herausgeben. 
16 4) Bei einem Arbeitepferde z. B. übersteigen die Nutzungen erfahrungsmäßig — so nimmt 
man an — die Unterhaltungskosten, da Niemand sonst ein Pserd zum Zwecke des davon zu zieben- 
den Nutzens halten würde. Der Besitzer hat deshalb darzuthun, daß es ihm nicht möglich gewesen 
sei, eine solche Sache, so lange er sie besessen, zu benutzen. Entsch,. des Obertr. Bd. XIX, S. 82. 
(5. A.) Der in dem 5. 216 ausgedrückte Rechtssatz rücksichtlich der Berpflichtung des Eigemtbe- 
mers eines Grundstückes zur Erstattung der Erhaltungskosten an den vollständigen redlichen Besiger 
auck uf bewegliche Sachen anwendbar. Erk. des Obertr. v. 28. Januar 1868 (Arch. f. Rechtef. 
LXXI, S. 47). 
17) Daß diese Satzung auf vollkommener Gedankenlosigkeit beruhe, hat schon Gans, Beiträge, 
S. 27, bemerkt. Wenn sie mit Bewußtsein gemacht worden ist, so steht sie mit der Bedeutung des 
redlichen Besitzes und mit den Grundsätzen lider die persönliche Freiheit in Widerspruch, indem der 
redliche Besitzer nach dem A. L. R. noch in einem höheren Grade als nach dem R. R. die Sache wie 
ein Eigenthümer gebraucht und es im höchsten Grade widersinnig ist, einen Eigenthümer für die Ver- 
nachlässigung seiner Sache verantwortlich zu machen. Gegen wen soll denn der redliche Besitzer schul- 
dig sein, Sorgsalt anzuwenden? Es kann ihm gar nicht einfallen, einem Anderen durch Vernach- 
lässigung seiner Sache Schaden zu thun. Rem qunsi zuam neglexzit. L. 31, §. 3 D. de bered. 
pet. (V. 3). Erst mit der Luiskontestation tritt er in ein obligatorisches Verhältniß, und hat von 
da an schlechtweg für culpa zu haften. L. 45 D. de rei vind. (VI, 1). 
17 4) Das umreedliche Bewußtsein ist eine reine Thatsache, welche nur aus den besonderen Um-
	        
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