Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

376 Erster Theil. Achter Titel. 
§. 18. Wenn es auf Berfügungen über das volle Eigenthum der Sache ankommt, 
so werden die mehreren Miteigenthümer eines jeden einzelnen darunter begriffenen Rech- 
tes nur als Eine 14) Person betrachtet. 
§. 19. Wer nur die Propnität der Sache ohne das Nutzungsrecht hat, wird 
Eigner genannt. 
8. 20. Wer Miteigner der Proprietät ist, und zugleich das Nutzungsrecht hat, 
dem wird ein nutzbares Eigenthum der Sache beigelegt 15). 
Grundsatze §. 21. Das Eigenthum heißt eingeschränkt, wenn dem Eigenthümer nur gewisse 
von dem ge- 
theilten und Arten der Ausübung der darunter begriffenen Rechte versagt sind. 
Finehren, §. 22. Daß das Eigenthum einer Sache, und die Rechte, welche aus der Na- 
thume. tur des Eigenthums fließen, getheilt sind, wird nicht vermuthet. 
§. 23. Wer ein volles Eigenthum der Sache hat, für den streitet die Vermu- 
thung, daß dasselbe uneingeschränkt sei 158). 
§. 24. Auch bei dem getheilten Eigenthume werden Einschränkungen des einem 
jeden Theilnehmer zukounnenden Rechts nur in so ferm vermuthet, als sie aus der Na- 
tur des dem andern Theilnehmer beiwohnenden Rechts von selbst folgen. 
§. 25. Einschränkungen des Eigenthums müssen also durch Natur 16), Gesetze 
oder Willenserklärungen bestimmt sein. 
§. 26. Jeder Gebrauch des Eigenthums ist daher erlaubt und rechtmäßig, durch 
welchen weder wohlerworbene 17) Rechte eines Andern gekränkt, noch die in den Gese- 
tzen des Staats vorgeschriebenen Schranken überschritten werden. 
§. 27. Niemand darf sein Eigenthum zur Kränkung oder Beschädigung Anderer 
mißbrauchen. 
–—. — 
14) Das Recht jedes Einzelnen bezieht sich nicht auf einen ideellen Theil vom Ganzen, sondern 
auf das Ganze, welches den Gegenstand des Rechtes der mehreren Theilnchmer ausmacht. Daraus 
erklärt sich das Anwachsrecht der mehreren Theilnehmer, vermöge dessen Einer Alleinberechtigter bleibt, 
wenn die Uebrigen ausscheiden: eine Surccession findet hier nicht statt. 
(4. A.) Ein einzelner Tür#ne kaun ohne Konkurrenz der anderen Miteigenthümer eine 
Grundgerechtigkeit für das gemeinschaftliche Grundstück erwerben. Erk. des Obertr. v. 5. Febr. 1861 
(Arch. f. Rechtsf. Bd. XI.. S. 254). 
15) In dem Lehen findet sich diese Vorstellun volltänd entwickelt und durchgeführt. Der Va- 
sall ist Mueigner der Proprietät und Alleineigenthlimer des Nutzungerechtes. 
15 %) Vergl. 8. 14, Tit. 19 u. §S. 181, Tit. 7. 
16) Des Rechts nämlich, wie der §. 24 zeigt. 
17) Unter diesen „wohlerworbenen“ Rechten sind freilich nicht bloß solche zu verstehen, wodurch 
zu Gunsten eines Anderen das geigemefum beschränkt ist, sondern jedes andere Privatrecht auch. Allein 
damit ist der Wirkungskreis dieses Gesetzes keinesweges bestimnt. Denn wer sein Recht und nament- 
lich sein Eigenthum gebraucht, der ist Anderen dafür, daß es ihnen unangenehm oder nachtheilig ist, 
nicht verantwortlich. Darauf hin hat man u. A. auch angenommen, daß z. B. dem Grundeigenthü- 
mer, der auf seinem Grunde eine chemische Fabrik anlegt, deren Betrieb Mot deshalb, weil scher der 
Nachbarschaft lästig ist und unter Umstanden nachtheilig werden kann, nicht untersagt werden kann. 
Pr. des Obertr. vom 18. Sept. 1848 (Arch. f. Rechtsf. Bd. IV. S. 363). Dasselbe hat man ange- 
nommen von der Anlegung einer Ziegelei, wenngleich der Rauch davon den Nachbarn schädlich wird, 
desgl. von der Anlegung eines Wasserlaufes (Arch. f. Rechtsf. Bd. III. S. 364)0. — Allein der §. 26 
enthält für sich allein noch keinen allgemein gültigen Rechtssatz, sondern findet erst in den beiden folg. 
88. 27 u. 28 seine nähere Bestimmung; und es it mit dem einem Jeden zustehenden Anspruche auf 
Schutz seines Eigenthums nicht verträglich, daß der Nachbar durch Anlagen ihm dasselbe emwerthen 
dürse. Das Weitere s. m. in der folgenden Anm. 18, Satz 2. 
(4. A.) Niemand ist daher berechtigt, auf seinem Grundstücke z. B. eine Miststätte * unterhal- 
ten, welche dergestalt mit Jauche angefün ist, daß dieselbe des Nachbars anstoßende Mauer durch- 
dringt und das Grundstück desselben Überfluthet. Erk. des Obertr. vom 5. November 1861 (Arch. f. 
Rechtsf. Bd. XIIV, S. 57). 
(5. A.) Ueber den Fall, wenn eine Familiengruft bei dem Erweiterungeban der Kirche in dieselbe 
gebracht und dadurch vereitelt wird, s. unten, Anm. 66 s, Abs. 2 zu NS. 184, II, 11. 
 
	        
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