Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

I. Von den Gesetzen überhaupt. 35 
8. 6. Diese Verordnung tritt sofort in Kraft. Alle derselben entgegenstehenden bisherigen Vor- 
schriften sind hiermit aufgehoben. 
Urkund lich rc. 
41. Verordnung, betressend die Einführung des Bundesgesetzblattes für 
den Norddeutschen Bund. Vom 28. Juli 1867 (Bundesges. Bl. S. 24). 
Wir #. verordnen zur Ausführung der Artikel 2 und 17 der Verfassungsurkunde für den Nord- 
deutschen Bund, im Namen des Bundes, was folgt: 
#. 1. Für das ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes wird in Berlin ein 
„Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes“ 
erscheinen, durch welches sämmtliche Bundesgesetze (Art 2 der Verfassungsurkunde des Norddeutschen 
Bundes), und Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidimms (Art. 17) verkündet werden sollen. 
k. 2. Der Tag der Ausgabe des Bundesgesetzblattes in Berlin (Art. 2 der Verfassungsurkunde 
des Norddeutschen Bundes) ist auf dem Blatte anzugeben. 
8. 3. Die Heransgabe des Bundesgesetzblattes erfolgt im Büreau des Bundeskanzlers. 
Urkundlich #. 
8. 12. Es ist aber auch ein jeder Einwohner des Staats 109) sich um die Gesetze, 
welche ihn oder sein Gewerbe und seine Handlungen betreffen, genau zu erkundigen 
gehalten: und es kann sich Niemand mit der Unwissenheit eines gehöni publicirten 
esetzes entschuldigen 20). 
5. 13. Nur in dem Falle, wo vorhin erlaubte, oder als gleichgültig angesehene 
Handlungen durch Strafgesetze eingeschränkt, oder verboten worden, soll der Uebertre- 
ter mit dem Einwande: 
19) Fremde also, welche sich vorübergehend im Lande anshalten, find hier nicht mit gemeint. 
Diese Fa ung ist nicht ungenau oder zufällig, wie unten der §. 34 zeigt, sie hat eine geschichtliche Ver- 
anlassung. In Beziehung auf Zuwiderhandeln gegen verbietende Ersebe mnahm mau fast allgemein 
an, daß Freuide die besonderen riche des Landes oder des Ortes, wo sie sich seit Kurzem aufhalten, 
nicht gekannt hätten, und ließ die Entschuldigung der Unwissenheit gelten. Böhmer ad Carpzov., 
Qu. 149, obs. 4, n. 67; Struben, rechtl. Ved. Th. II, Bd. 113 u. Th. IV, Bd. 28; Quistorp, 
peinl. R. Th. 1, s. 48. Hierauf bezieht sich die Bestimmung des folg. §. 13. 
20) Allgemeine Regel ist hiernach, daß ein Rechtsirrthum nicht augenommen werden darf, wegen 
desselben Grundes, aus welchem auch das R.N. in der Regel keine Rücksicht auf den error zuris nimmt, 
nämlich weil die Rechtsnorm gewiß sei und daher von Jedem, weun er selbst sie nicht wisse, durch 
Erkundigung leicht in Erfahrung gebracht werden könne, folglich Jeder seine Unkenutniß nur seiner 
eigenen groben Nachlässigkeit beizumessen habe, wovon er getost die Folgen tragen müsse. I. 2, L. 9, 
S. 3 D. de juris ei facti ignorantia (JXlI. 8). Um dein Irrenden eine nench- Nachlässigkeit vorwer- 
fen und deshalb auf den Irrthum nicht Rücksicht nehmen zu wollen, muß der Gegenstand des Irr- 
thums eine als gewiß anzusehende Vorschrift sein, d. h. der Irrthum muß sich auf das Dasein und 
den Inhalt des Gesetzes beziehen: „e kann sich Niemand mit der Unmissenheit eines gehörig publi- 
cirten Geseves entschuldigen.“ Die Unwissenhen über juristische Thatsachen (error facti) wird nicht 
unberülcksichtigt gelassen. Ein von beiden zu unterscheidender Irrthum bezieht sich auf die Auffassung 
des Inhalts der Rechtsnorm und auf die Unterordnung der Thatsachen unter die Rechtsregel, oder 
auf die streitigen Rechtssätze. Was zehn Rechtsverständige so auslegen, das verstehen zehn Andere 
anders, und Andere noch wieder anders, und doch kann nur die eine Meinung die wahre Rechtsnorm 
sein, alle anderen müssen Irrthümer sein. Soll man hier dem Irrenden eine * Nachlässigkeit 
vorwerjen dürsen? Im Gegentheil: er strengt alle seine Geisteskräfte an, das Wahre zu erkennen. 
Man rechnet daher diesen Irrthum nicht zu den Fälleu des Rechtsirrthums, sondern zu den des fak- 
tischen, weil der Irrthum im Grunde in der sehlerhaften Erkenntniß der Thatsachen und in der un- 
richrigen Subsumtion derselben unter die Rechtsregel beruht, v. Savigny, Bd. 111I. S. 827 ff. u. 
470. Vergl. L. 36 D. de cond. ind. (XII, 6.) Das A. L.R. erwähnt gleichfalls nicht dieses drit- 
ten es von Irrihum, daher man ihn nothwendig zu den Fällen des juristischen oder des fak- 
tischen rechnen muß. Nach der Fassung des §. 12 muß man sich für den saktischen Irrthum ent- 
Hchiden. Ueber den Irrthum bei der condictio indobiti unten 1, 16, §. 167 „Jeder Irrthum“ und 
ie Anm. dazu. 
(5. A.) Die zu vermuthende Keuntniß eines Gesetzes umfaßt auch die Kenntniß seines Gebiets. 
Von dem Grundsatze des 8. 12 sind Polizeiverordnungen nicht ausgeschlossen. Erk. des Obertr. vom 
5. April 1868 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXXI, S. 111). 3
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.