Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

468 Erster Theil. Neunter Titel. 
daß dieselben dadurch ihre bisherige Form verloren, und eine neue Gestalt angenom- 
men haben; so verbleibt 1°0) die daraus entstandene neue Sache dem Verarbeitenden. 
§. 305. Dieser aber muß dem Eigenthümer der Materie, nach dessen eigener 
Wahl, entweder eben so viel Materialien von gleicher Art und Güte zurückgeben, oder 
den Werth der Materialien, nach dem höchsten Preise zur Zeit der Verarbeitung, ersetzen. 
§. 306. Ueberdies muß er, nach Maßgabe des Grades seiner Verschuldung, dem 
Eigenthümer der Materie für den durch die eigemmächtige Verarbeitung erlittenen Scha- 
den und entgangenen Gewinn, gerecht werden. 
§. 307. Hat Jemand, ohne kunst= oder handwerksmäßige Verarbeitung, fremde 
Materialien mit den seinigen, jedoch nicht betrüglicher Weise, verbunden, vermengt 
oder vennischt, so muß untersucht werden: welchem von beiden an dem Werthe des 
nunmehrigen Ganzen, nach Verhältniß seiner beigetragenen Materialien, der beträcht- 
lichste Antheil zukomme. 
S. 308. Hat der, über dessen Sache solchergestalt ohne sein Zuthun verfügt wor- 
den, den beträchtlichsten Antheil, so steht ihm die Wahl frei: ob er das nunmehrige 
Ganze behalten 11), oder dasselbe dem Andern überlassen wolle. 
§. 309. Wählt er letzteres, so muß ihm der Verfügende seine Materialien nach 
der Bestimmung des F. 305 vergüten, und ihm noch außerdem, für den erlittenen 
Schaden und entgangenen Gewinn, nach Vorschrift §. 306 gerecht werden. 
§. 310. Will er aber das Ganze behalten. so muß er dein Verfügenden seinen Bei- 
trag an Materialien, nach dem zur 8 er Verfügung gestandenen gemeinen Werthe, 
vergüten. 
§. 311. Uebersteigt dieser Werth den Werth der Verbesserung, welche bei der 
Sache durch die Verfügung entstanden ist; so muß der Verfügende mit Vergütung des 
letztern sich begnügen. 
§. 312. Hat in dem 8. 307 gesetzten Falle der Verfügende den beträchtlichsten 
Antheil an dem nunmehrigen Ganzen, so verbleibt ihm zwar das Ganze. 
5. 313. Er muß aber dem Andern, über dessen Materialien er solchergestalt ei- 
genmächtig verfügt hat, nach Vorschrift des §. 305, 306 Ersatz und Vergütung leisten. 
z. 314. Bleibt es in dem F. 307 gesetzten Falle zweifelhaft, welchem von bei- 
den Interessenten der größere 12) Antheil an dem nunmehrigen Ganzen zukomme, so 
ebühret demjenigen, über dessen Sache solchergestalt ohne sein Zuthun verfügt worden, 
ie Wahl nach den 55. 308— 311 festgesetzten Bestimmungen. 
§. 315. Hat Jemand Materialien verschiedener Eigenthümer, ohne deren Zu- 
thun, verarbeitet, verbunden, vermengt oder vermischt, so ist die Frage: wem das 
nunmehrige Ganze verbleibe, zwischen ihm auf der einen, und den mebreren Eigen- 
thümern zusammen genommen auf der andem Seite, nach obigen Grundsätzen 55. 298 
— 314 zu bestimmen. 
5. 316. Kommnt es dabei auf eine Wahl von Seiten dieser Eigenthümek an, so 
entscheidet unter ihnen der Entschluß derjsenigen, welchen, susammen genommen, an 
dem Werthe der Materialien der beträchtlichste Antheil zukommt. 
—.— 
  
Kleid gemacht, so würde nicht der Grundsatz dieses §. 304, sondern der des §. 299 Auwendung finden. 
Vergl. die Amm. 35. 
40) Im Falle der Redlichkeit wird mithin durch die Spezifikation Eigenthum erworben; der un- 
redliche Verarbeiter erwirbt das Eigenthum der neuen Spezies dem Eigenthümer des Stofses. §. 299. 
41) Er wird also sofort bei Entstehung der neuen Spezies Eigenthümer der Sache, mit der Be- 
sugniß, dasselbe au den Anderen, selbst wider dessen Willen, zu übertragen. Vergl. die 3§8. 310 u. 312. 
Richtiger aber ist es, das Verhältniß in allen Fallen bis zur erfolgten Auseinandersetzung als Gemein- 
schaft aufzusassen, und die nachfolgenden Bestimmungen als Auseinandersetzungsvorschriften anzusehen. 
42) Ist es unzweiselhaft, daß Keiner einen größeren Antheil hat, daß vielmehr die Antheile gleich 
sind, so find Beide Miteigenthümer. 5. 320.
	        
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