Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Erwerbung des Eigenthums. 471 
  
durch Einräumung des Besitzes auf Grund eines mündlichen Verrrages erworbenen Acker gebaut wird; 
ein solchergestalt verkauftes und übergebenes Grundstück ist für den bauenden 
Käufer, dem Verläufer gegenüber, kein fremdes Grundstück, der Verkäufer kann nicht 
vindiziren, er kann nur auf Grund des Rücktrittes von dem unverbindlichen Rechtsgeschäfte die Auf- 
losung desselden unter gewissen Bedingungen fordern. Die dloße Einwilligung des Grundeigenthümers 
in den Bau aber, ohne Abschließung eines Ueberlassungsvertrages über die Baustelle, ändert die Er- 
werbungsart als eine unminelbare nicht. Pr. des Oberr. vom 15. Dez. 1848 in der Sache Fink 
w. Fink, 7/3/90%% III, 48. (3. A. Eine Anwendung von diesem Grundsatze macht das Ratiborer 
Appellationsgericht in einer Entscheidung vom 17. Okt. 1854 auf den Fall, wo Jemand auf dem Lande 
eine Ackerfläche von 104 R. für 52 Thrr. mittelst mündlichen Kontrakts erkauft und übergeben er- 
dalten, und mit einem Hause nebst Stallung bebaut, sowie einen Garten darauf angelegt hatte. Das 
Appellationsgericht sagt, der §. 332 gehöre in die Lehre von der insediticalio, einer unmittelbaren Er- 
werbungsart, könne also da nicht zur Anwendung kommen, wo der Bauende aus irgend einem frühe- 
ren Rechtsgrunde die Baustelle bereits im Besitze gehabt habe, sei es in Folge ciner ursprünglichen 
Besitznahme ohne Titel, welchensalls die Grundsätze des 7. Titels über Meliorationen des Befitzes, sei 
es auf Grund eines Titels, wo dann die Vorschriften über die mittelbare Erwerbung des Eigenthums 
Platz greisen müßten. Das iß juristisch vollkommen richtig. Das Obertr. aber, meinend, es sei un- 
richtig, hat diese Entsch. durch ein Urtel v. 30. März 1855 kassirt, wir werden gleich sehen, aus wel- 
chem Grunde. Vorab muß auf die Ungenauigkeit der Ueberschrift, welche dieses Urtel in der Entsch. 
des Obertr. Bd. XXX, S. 31 von den Herausgebern erhalten hat — ein Pr. ist es nicht — aufmerk- 
som gemacht werden. Es heißt: „Die gesetzlichen Vorschrifen vom Baue auf fremdem Boden find 
dadurch, daß über die Abtretung der Baustelle ein unförmlicher Vertrag geschlossen worden, nicht aus- 
geschlossen.“ So allgemein wird der Satz von dem Odbertr. nicht ausgesprochen, vielmehr behaupiet 
dasselbe nur, daß in dem Falle, wenn die Baustelle gerade zu dem ausgesprochenen Zwecke, solche zu 
bebauen, erworben und überlassen worden sei, alsdann der §. 332 noch zur Anwendung komme. Die 
Herausgeber machen zu ihrem ungenau gefaßten Rechtssatze die Anmerkung, ich häue hier in dieser 
Note gesagt, das Obertr. habe in dem von mir allegirten Präjudikate angenommen, der §. 332 sei auf 
den Fall eines mündlich geschlossenen Ueberlassungsvertrages nicht anwendbar. Das gedachte Präjudi- 
kat beschränke sich jedoch lediglich darauf, die Anwendbarken jenes §F. 332 da auszuschließen, wo es nicht 
der Eigenthümer war, der um den Bau gewußt hat, sondern der Erbpächter. Diese Bemerkung 
berührt den besprochenen Rechtspunkt gar nicht. Die Frage ist: Finden die Grundsätze über die ur- 
sprüngliche Erwerbungsart, Inädifikation genannt, oder vielmehr die Grundsätze über mittelbare Er- 
werbung Anwendung, wenn der Boden, auf welchem später gebaut worden, dem Besitzer desselben vor- 
her abgekaust und auf Grund dieses nur miludlich abgeichlossenen Kaufes der Besitz wirklich übertra- 
n worden ist. Ob der Besitzer und Verkäufer wahrer Eigenthämer war oder ein anderes erbliches 
sitzrecht datte, ist eine Frage, die hierbei gar nicht in Betracht kommt, vielmehr in ein ganz anderes 
Kapitel gehört, aus welchem in jenem Rechtsfalle ein Rechtestreit nicht entstanden und daher auch nicht 
zu entscheiden war. Bekanntlich kann man auch von einem Nichteigenthünter gültig kaufen, unbescha- 
det der Rechte des wahren Eigenthümers. — Kommen wir nun auf die Thceorie des Obertr. Dieses 
sagt: Wenn gerade zu dem Behuse des Aufbaues eines Hauses der demnächst bebaute Platz münndlich 
verkauft worden ist, so haben wir es nicht mit einer mangelhaften mittelbaren Erwerbung zu thun, 
sondern mit der ursprünglichen Erwerbungsart der Jnädifikation. Denn da nichts weiter als der dem- 
nächst bebaute Platz und gerade behufs Aufbaues eines Hauses durch einen unförmlichen Bertrag über- 
lassen worden, so erhellet daraus ohne Weiteres, daß der Fall des §. 333 hier nicht in Frage sieht. 
Das ist der eine Rechtsgrund, welcher dem rechtsverständigen Leser zur eigenen Würdigung anheim- 
egeben wird, mit dem Bemerken, daß der Gegenstaud der Bestimmung des §. 333 nicht „ein ganzes 
uU#“, worunter das Obertr. selbst ein jedes einzelnes selbstständiges Grundstück versteht (S. 36 a. a. O., 
ist, sondern vielmehr der schon vor der Errichtung von Baulichkeuen erworbeue Besitz des Grund- 
stückes. Der Gegensatz, von dem die vorhergehenden §§. 327 ff. handeln, ist die erst mittelst der Be- 
bauung geschehene Ssterrgreifung. Uebrigens ist, was nur nebenbei bemerkt wird, auch die faktische 
Voraussetzung des Obertr. in dem entschiedenen Falle nicht richtig; denn es ist nicht bloß der bebaute 
Platz verkauft worden: ein Dorfhäusler kann 104 □R., auf welchem ein Gebäude von dem Umsange 
der Berliner Akademie errichtet werden kann, zum Aufbaue eines Hauses nicht brauchen, und in dem 
vorliegenden Falle haben dazu auch die 104 □R. nicht verbraucht werden follen, vielmehr dat der 
Käufer darauf eine neue Häuslerstelle, bestehend aus Haus nebst Stallung und Garten, gegründet, 
wie derselbe in seinem Petitum wörtlich sagt (S. 32). Dies nur was das Thatsächliche des Rechts- 
salles und die Entscheidung des Prozesses betrifft; unsere Rechtsfrage wird davon nicht berührt, denn 
diese wirkliche Thatsache unterstellt das Obertr. seinem Rechtssatze nicht. — Ein zweiter Rechtsgrund 
des Obertr. für seinen Satz ist die Redlichkeit des Käusfers in unserem Falle. „Darf sich darauf schon 
derjeuige berufen, der ohne Widerspruch des Eigenthümert fremden Grund und Boden bebaut, um 
wieviel mehr muß es von dem geschehen können, der selbst in der Meinung redlich war, daß der Grund 
und Boden nicht dem Anderen mehr, sondern ihm gehöre.“ S. 36.] Dahin läßt sich nicht mehr sol- 
gen; der gute Glaube hat, welche Vortheile damit auch für den Besitzer verknüpft sein mögen, doch in
	        
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