Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

40 Einleitung. 
den nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurtheilt, unter welcher derselbe seinen ei- 
gentlichen Wohnsitz 2#1) hat. 
dessen Geburt den Wohnsitz, welchen sie zur Zeit ihrer präsumtiven Schwängerung inne gehabt, auf- 
gneben hatte, nach dem Gesetze ihres Domizils zur Zeit der Schwängerung beurtheilt.“ IJ.M.Bl. 
. 115 und Entsch. Bd. XXXVII. S. 1.] Ich notire dies als rechtsgeschichtliche Thatsache. Auf die 
unerquickliche Begründung ist nicht einzugehen. Da die Zeit der präsumtiven Schwängerung so ge- 
räumig ist, daß die Mutter in Grenzorten ein Dutzend Mal ihren Wohnsitz ändern kann, so ist der 
Satz bodenlos. (5. A. In diesem Falle hilft sich das Obertr. mit dem Satze: non deficit jus. sed 
probatio, und sagt: „Liegt der Klägerin aber zur Begründung ihrer Klage der Beweis ob, daß die 
von ihr erhobenen Ansprüche durch das am Orte der Schwängerung geltende Recht geschlitzt seien, so 
muß ihre Klage an dem Umstande scheitern, daß es eben ungewiß ist, ob die Schwängerung auf der 
linken Rheinseite, deren Gesetzgebung jenen Ansprüchen entgegensschte“r oder auf dem Gebiete des Ost- 
rheincs, wo solche durch das örtliche Recht geschützt sein würden, stattgefunden hat, und es somit an 
dem Beweise des entfernten Klagegrundes (fundamendum remotum) fehlt. Erk. vom 19. Juni 1868, 
Arch. s. Rechtsf. Bd. LXIII, S. 252.) Eine Lehre giebt dieser Plenarbeschluß: es ist auch auf die 
Plenarbeschlüsse des Obertr. nicht zu bauen. Es ist weiter in dieser Beziehung, als Ausnahme von 
der Regel des §. 23, auch angenommen, daß es nicht sowohl auf den Wohnsitz der Geschwängerten 
im streng rechtlichen Sinne ankomme, als vielmehr darauf, daß sie während der Empfängniß- 
zeit einen dauernden Aufenthalt an dem Orte, wo die Schwängerung vorgefallen, namentlich als 
Dienstbote, gahade. Erk. des Obertr. v. 15. April 1859 (Arch. f. Rechtef. Bd. XXXIII S. 1411. 
Der Satz, daß die Gesetze des Wohnortes der Mutter zur Zeit der Schwängerung die maßgebenden 
eien, ist gegen eine neuere Ansechtung von dem Obertr. durch das Erkenntniß v. 1. Nopbr. 1861 auf- 
recht erhalten. Entsch. Bd. XI.VII. S. 55.] Dieser Grundsatz findet jedoch nur dann Anwendung, 
wenn da, wo die Schwängerung stattfand und die Geschwängerte diente, die K.O. v. 4. Juli 1832 un 
v. 5. Dez. 1835 Gesetzeskraft haben. Erk. dess. vom 12. Sept. 1859, Archiv f. Rechtsf. Bd. XXXV, 
S. 43), v. 29. Juni 1863 (Entsch. Bd. L. S. 311) u. v. 19. Juni 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. I.XIII, 
S. 250). — Als Ansfluß der Statusrechte müssen folgerecht mit der zeitlichen und örtlichen Verän- 
derung des Personalstatuts sich auch die „Befugnisse“ des Kindes ändern. Hinsichtlich der zeitlichen 
Veränderung ist solches von der Gesetzgebung in der That ausgesprochen, denn das Patent v. 9. Sept. 
1814, 8. 11 und v. 9. Nov. 1816, §. 14 erkennen den unehelichen Kindern, welche bis dahin unter der 
Herrschaft des frang. Rechts gelebt haben, die Rechte, welche ihnen das A. L. R. giebt, mit dem Tage 
der Einführung des L. R. zu; das Gleiche muß, wegen Gleichheit des Grundes, auch bei örtlichen 
Beränderungen gelten, so daß, wenn F. B. ein uneheliches Kind seinen Wohnsitz aus dem Bezirke des 
franz. R. in den des A. L. R. verlegt, von diesem Zeitpunkte an ihm die Rechte der unehelichen Kinder 
gegen seinen Vater zustehen. Ob es solche geltend machen kann, oder nicht, hängt von den Gesetzen 
des Wohnsitzes des Vaters ab. Wohnt er unter dem franz. Rechte, so ist es unmöglich bei einem franz. 
Gerichte, wegen des positiven Verdotsgesetzes; wohnt er unter einem Rechte, welches die Ansprüche des 
Kindes aus dem Status anerkenmt, so können dieselben geltend gemacht werden. (4. A.) Der V. (rhei- 
msiche) Senat des Obertr. hat in Bezug darauf ausgesprochen, daß die Geltendmachung und Durchfüh- 
rung der einem unehelichen Kinde an dem Orte seiner Geburt auf Grund der dort geltenden Gesetze ge- 
en seinen Erzeuger zustehenden Ansprüche an einem anderen Orte nur unter der Voraussetzung stan- 
fra daß auch an diesem Orte jeue Ansprüche gesetzlich anerkannt find. Erk. v. 23. Sept. 1856 (Arch. 
Rechtef. Bd. XXII. S. 205). (5. A.) III. Her. staatsrechtliche Status (status publieus), d. h. der 
Inbegriff der Eigenschaften und Fähigkeiten, welche eine Person haben muß, um nach den Grund- 
säten des öffentlichen Rechts an der Gesetzgebung oder der Regierung und Verwaltung des Staats 
theilnehmen zu können, gehört nicht in die Sphäre des Privatrechts, daher kann dabei die Frage von 
der Kollision der Statuten nicht in Betracht kommen; dae öffentliche Recht eines jeden Staats ist ab- 
solut und aueschließlich maßgebend. 
31) Wohnsitz heißt der bleibende Mittelpunkt der Lebensverhältnisse und Geschäfte einer physi- 
schen Person. Juristische Personen können keinen natürlichen Wohnsitz haben; man schreibt ihnen je- 
doch wegen des Bedürfnisses, einen gewissen Gerichtsstand derselben zu begründen, einen külstlichen 
Wohnsit zu. Ist ein solcher nicht bei der Gründung der juristischen Person febnetent so ist der Sitz 
des Geschäftsbetriebes derselben dafür anzunehmen. Ueber die Art, wie der Wohnsitz erworben und 
wieder aufgehoben wird, s. m. Priv. Recht 8. 219. — Wirkungen des Wohnsitzes sind, sowohl nach 
Röm, als nach heutigem Rechte, außer den Ortslasten, Gerichtsstand (korum domieilü) und Rechts- 
genossenschaft. Allein beide Wirkungen haben in den heutigen, oder richtiger in den im A. L. R. vor- 
ausgesetzten, staarlichen Zuständen andere Beziehungen: weder der Wohnsiv macht nothwendig, wie 
nach R. R., immer zum Mitgliede der Ortsgemeinde, noch bezieht sich der Gerichtsstand auf die Obrig- 
keit des Stadt oder Ortegebiets, sondern auf die eines Gerichtebezirks. Die s. g. Eximirten sind nicht 
der Gerichtsbarkeit der Ortsobrigkeit unterworfen. II, 8, §§. 6 u. 62. Der Gchn#in macht also zwar 
das ihm eigenthümliche Recht (lex domicilü) zur Eigenschaft der Person, dieses Recht ist aber nicht das 
des Ortes, sondern das der Gerichtsbarkeit, welcher die Person vermöge ihres Wohnsitzes und ihrer 
 
	        
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