Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Erwerbung des Eigenthums. 475 
8. 341. Hat er dieses gethan, und ist die angegebene Linie von den Nachbam 
enehmigt 50), gleichwohl aber das Gebäude durch Gufall geringes oder mäßiges 
ersehen, über die angegebene Linie vorgerückt worden, so darf er den Nachbar nur 
den Grund und Boden nach einer billigen Taxe vergüten 605). 
§. 342. Hat aber der Bauende die Anzeige ganz unterlassen, oder hat er, des 
Widerspruchs der Nachbam ungeachtet, über die wahre Grenzlinie 51) fortgebauet;: 
oder hat er die von ihnen genebmigte Linie aus Vorsatz oder grobem Versehen über- 
schritten, so ist er schuldig, das Gebäude, auf seine Kosten, bis innerhalb seiner Gren- 
zen # 14) einzuziehen 5 17), und noch außerdem die Nachbaim zu entschädigen. 
  
seitigt, daß der Nachbar um den Bau gewußt, und demselben nicht sofort widersprochen habe. Pr. des 
Obertr. 288, vom 30. Juni 1837. Vergl. §. 332 d. T. und die Anm. 48 zu §F. 327. (5. A.) Die 
Anzeige braucht nicht an jeden von mehreren Mircigenthümern, sogar dann, wenn dieselben zum Theil 
an außerhalb gelegenen Orten wohnen, besonders zu geschehen; in der Regel wird es genügen, daß 
die Auzeige dem einen der Miteigenthümer, oder Demjenigen, welcher dessen Küne wahrzunehmen hat, 
namenklich daun, wenn derselbe in dem Nachbargrundstücke selbst wohnt, gemacht wird. Erk. dess. v. 
26. März 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIX., S. 32). 
60) Die Erklärung, mittelst welcher der Nachbar die Linie genehmigt. in welcher der Bau geführt 
werden soll, bedarf auch dann nicht der schriftlichen Form, wenn ihm bekannt ist, daß diese Linie die 
wahre Grenzlinie überschreitet. Pr. des Obertr. 668, vom 20. April 1839 (Pr.-Samml. I, S. 30). 
Die Mitwissenschaft des Bauenden um die Grenzüberschreitung entbindet den anderen Theil von den 
rechtlichen Folgen seiner Genehmigung und Kenntniß nicht. Erk. dess. vom 17. März 1864 (Arch. f. 
Rechesf. Bd. LIII. S. 219). — Da eine sormlose Erklärung genügt, so ist auch eine stillschweigende 
Genehmigung bindend. Tit. 4, 56. 58, 59, 61 und die Anm. dazu. — (F3. A.) Ist die im §. 341 
bezeichnete Baulinie vom Nachbar durch mündlichen Vertrag aber nur unter der Bedingung einer ihm 
zu gewährenden Gegenberechtigung genehmigt worden, so verliert diese Genehmigung kre verbindliche 
Krast, wenn der andere Kontrahent durch Zurücktreten von dem geschlossenen Bertrage sich der münd- 
"0h zugesagenn Gegenleistung entzieht. Pr. des Obertr. vom 20. Okt. 1853 (Entsch. Bd. XXVII, 
.87). 
602) (5. A.) Die 658. 340, 341 beziehen sich nur auf die Ausführung eines Baues auf der Grenze; 
wenn ee sich also nicht um eine solche handelt, vielmehr die Grenze bereits bebaut ist, und der Streit 
die einseitige Benutzung der auf der Grenze befindlichen gemeinschaftlichen Maner durch deren Erhöhung 
betrifft, so finden jene Vorschriften keine Anwendung. Erk. des Obertr. vom 25. Okt. 1864 (Archiv 
s. Rechtef. Bd. LVI, S. 242). 
(5. A.) Die Vorschriften der §§. 340, 341 passen nicht auf einen Bau auf einer an der Grenze 
stehenden Mauer des Nachbars oder einer Grmeinschafrichen Maner, denn sie gestanen unter den ange- 
gebenen Umstanden nur den Erwerb des Grundes und Bodens des Nachbars nach einer billigen Taxe, 
enthalten aber keine Bestimmungen über den Erwerb und die Benutzung der an den Grenzen stehen- 
den Mauern des Nachbars oder einer gemeinschaftlichen Mauer, vielmehr kommen in Beziehung auf 
lereer die 8 133 2 I, 8 zur Anwendung. Erk. dess. vom 6. November 1866 (Archiv f. Rechtsf. 
d. LXV, Se. 121)0. 
61) Unter der wahren Grenzlinie ist hier nicht die in 88. 139 ff., Tit. 8 vorgeschriebene Baulinie 
von resp. 3 u. 11 Werkschuhen, sondern die Eigenthumsgrenze zu verstehen. Dies war Kreitig, ist 
aber als richtiger Rechtssatz angenommen durch den Plenarbeschluß (Pr. 1283) des Obertr. v. 18 April 
1843. (Enssch. Bd. IX, S. 8.) 
61 a) (4. A.) Weiter nicht. Ob der Grundeigenthümer auch die konsessorische Klage auf Wieder- 
herstellung des interstitli, d. h. auf Zurückziehung des Gebäudes bie auf die gesetzliche Baulinie (Tit. , 
S5. 139, 140) begründen könne, hängt davon ab: ob er, sobald er von dem Baue Nachricht erhalten, 
Widerspruch dagegen erhoben hat. Tit. 22, §. 43 u. Pl.-Beschl. v. 18. April 1843 (Entch. Bd. IX. 
S. 3). Aber die Klage auf Zurückziehung bis innerhalb der Grenzen des Banenden kann nicht durch 
den Einwand beseitigt werden, daß der Nachdar um den Bau gewußt und demselben nicht sofort wider- 
sprochen habe. Erk. des Obertr. v. 9. Januar 1854 (Arch. s. Rechtsf. Bd. XI, S. 216). 
61 5) (5. A.) Die Einziehung, resp. die gängliche oder theilweise Kassirung, des an der Grenze 
aufgeführten Bauwerkes ist von der vorgängigen Ermittelung der wahren Eigenthumsgrenze abhängig; 
daher kann, ohne Feststellung derselben, eine solche Demolirung nicht im possessorischen Wege ausgespro- 
chen werden. Erk. dess. vom 13. Oktober 1865 (Arch. f. Rechesf. Bd. LX, S. 218).
	        
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