Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

492 Erster Theil. Neunter Titel. 
S. 121. Diese Niederlegung muß längstens binnen sechs Monaten 62) nach dem 
Ablaufe der gesetzmäßigen Erklärungsfrist (Ss. 384, 385) erfolgen. 
S. 425. Ist jedoch die Erbschaft besonders weitläufig und verwickelt, so kann 
der Richter, auf Anrufen des Erben, nach geprüften Gründen desselben, die Frist zur 
Einreichung des Inventarii verhältnißmäßig verlängern. 
5s. 426. Auch kann diese Frist auf den Antrag auch nur Eines Erbschaftsgläubi- 
gers oder Legatarii, nach Bewandtniß der Umstände und Beschaffenheit des Nachlasses, 
von dem Richter verkünt werden "7). 
8. 427. Wer die vom Gesetze oder von dem Richter bestimmte Frist, ohne das 
Inventarium gehörig einzubringen, verstreichen läßt 7“), wird der Rechtswohlthat 
nung soll die Niederlegung willkürlich bei jedem Gerichte mit Erfolg geschehen können, weil uur die 
Verdunkelung der Masse verhütet werden solle, welcher Zweck dur Vie Nerderlegn bei jedem Ge- 
richte erreicht werde. R. vom 18. Mai 1816 (Jahrb. Bd. VII. S. 182). Allein es handelt sich hier 
nicht um einen Akt der Beglaubigung, sondern um eine obrigkeitliche Mitwirkung bei Feststellung der 
Erbschaft, als Grundlage zu einem vielleicht folgenden Rechtsverfahren, und das Gesetz schreibt dieselbe 
in dem Falle, wo noch etwas mehr als die Aufbewahrung, nämlich die Aufnahme des Inventariums 
verlangt wird, ausdrücklich dem kompetenten Richter zu. A. G.O. 11. 5. Die Aufnahme ist eine 
untergeordnete Handlung des Erben selbst, den das Gericht eigentlich nur bedient, denn der Erbe steht 
für die Richtigkeit so ein, als wenn er es selbst verfaßt hätte. Wird schon bei dieser Geschäftsbesor- 
gung die Zuständigkeit des Gerichts verlangt, so ist sie bei der eigentlichen Haupthandlung des Ge- 
richts selbst, nämlich der Anfbewahrung, um so mehr erforderlich, wenn sie als eine richterliche 
gelten soll: nur der kompetente Nichter kann richterliche Handlungen vollziehen. Das gerichtlich nie- 
derzulegende Inventarium wird nicht ersetzt durch ein von der Grruerbehörde, zum Zwecke der Be- 
stimmung der Stempelsteuer, eingefordertes Inventarium. 
61) Man nimmt das versiegelte Packet, worin das Inventarium befindlich sein soll, zu den Ak- 
ten, d. h. man bewahrt es in dem Aktenschranke aus, ohne daß eine depositalmäßige Verwahrung ein- 
tritt. Vergl. S. 400, Tir 18, Th. II. und R. des J.M. v. 7. Junm 1838 (Jahrb. Bd. LI. S. 363). 
Der Ort der Aufbewahrung beim Gerichte ist gleichgültig. 
52) Auch wenn gar keine Aktivvermögen, sondern nur Schulden vorhanden sind, muß ein vor- 
schriftsmäßiges Inventarium binnen der gesetzlichen Frist gerichtlich niedergelegt werden, wenn der 
Erbe sich die Rechtswohlthat des Inventars erhalten will. Pr. des Obertr. vom 13. August 1836 
(Entsch. Bd. I. S. 304), und Pr. 242, v. 7. März 1837 (Präj.-Samml. 1, S. 33). Das O.A.Ge- 
richt des Königreichs Baiern hat durch Pl.-Beschl. v. 4. Dez. 1844 das gerade Gegentheil als echten 
Rechtssatz des A. L. R. angenommen. (Schles. Archiv Bd. VI. S. 173.) Die Begründung iß jedoch 
nicht zutreffend. Sie besteht in der Behauptung, daß nach dem A. L.N. zum Begriffe einer Erbschaft 
das Vorhandensein eines positiven Faktors gehöre, folglich Schulden ohne Sachen und Rechte eine 
Erbschaft nicht bilden. Dies ist irrig. Das A. L.N. bestimmt den Begriff einer Erbschaft nicht nen. 
Nach dem unverändert gebliebenen Begriffe von Erbschaft ist dieselbe ein Rechtsbegriff (juris nomen) 
und besteht auch ohne einzelne Rechtsgegenstände. „Hereditas etism sine ullo corpore luris intel- 
lectum habet.“ L. 50 pr. D. de heredit. pet. (V, 1). Allerdings ist die Satzung des L.K. hart, 
das aber kommt von der unpassenden Verknüpfung des röm. benetc inventarü mit dem deutschen 
Grundsatze Über die Erwerbung der Erbschaft, §. 368. 
63) Der Erbe kann das Inventarium auch gerichtlich aufnehmen lassen. §. 436. Hat er inner- 
halb der hier vorgeschriebenen Frist den Antrag auf gerichtliche Aufnahme des Erbschaftsinvemars ge- 
stellt, so wird durch diesen Antrag ohne Rücksicht darauf: ob und wann das Gericht demselben wirk- 
lich genügt hat, die Benefizial- Erbengualität gewahrt. Pr. des Obertr. v. 23. November 1846. (Entsch. 
Bd. XV, S. 109.) — S. auch o. Anm. 28 zu §S. 384 d. T. 
64) Die Anwendung hat ihre Schwierigkeiten, da die Umstände, nach deren Bewandtniß die Be- 
stimmung erfolgen soll, doch untersucht und dabei beide Theile gehört werden müssen. Ein Verfahren 
ist jedoch nicht vorgeschrieben. Unterdessen ist dann die Zeit von selbst lange vergangen. Die Vorschrift 
ist unpraktisch. Man setzt meistens, entweder ohne den Andern zu hören, oder allenfalls nach Zusertigung 
des Antrags zur Gegenerklärung binnen einer bestimmten Frist, den verlängerten oder verkür zten Ter- 
min durch ein Dekret fest, gegen welches die Beschwerde frei steht. Doch entspricht dieses Verfahren nicht 
der Wichtigkeit des Gegenstandes. Der §. 428 kommt einigermaßen zu Hülse. 
64 ) (5. A.) Die rechtliche Wirkung der unterlassenen Einbringung eines Juventars Seitens des 
Erben bleibt dann ausgeschlossen, wenn ein anderweit auf Grund gesetzlicher Bestimmungen vorschrifts- 
mäßig ausgenommenes, formell beweisendes Inventarium vorhanden ist, welches den Umfang des Nach- 
lasses des Erblassers zur Zeit seines Todes erkennbar macht. Für ein solches Inventarium muß das- 
jenige gelten, welches der Borschrift des §. 158 der Konkursordnung entsprechend zum Zwecke des über 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.