Von Erwerbung des Eigenthums. 509
§. 501. Durch die Verjährung können sowohl Rechte, die Jemand gehabt hat. Eimheilung.
verloren, als neue Rechte erworben werden.
wandelt und aus jener eine Erwerbungsart von Rechten Überhaupt mitteist fortgesetzter Auslübung
derselben, aus dieser eine Art der Erlöschung oder des Verlustes von Rechten überhaupt mittelst un-
unterbrochener Versänmung der Ausübung gemacht. Man drückte diese Auffassung so aus: Es giebt
eine Veränderung in Rechten überhaupt, gegründer auf Zeitlauf, wenn nämlich der Berechtigte sein
Recht eine Zeit lang auszuüben versäumt; jede Beränderung dieser Art heißt praeseriptio, Verjäh-
rung. Sie umfaßt zwei Arten, je nachdem bloß der Unthätige sein Recht verliert, oder ihm gegen-
liber ein Anderer dasselbe Reche erwirdt; die erste beißt prnescriptio elineliva, erlöschende Verjäh-
rung, die zweite heißt pr. acqulsitira;, erwerbende Verjährung. v. Savigny, System, Bd. IV,
S. 310. Diesen Begriff in feiner Allgemeinheit finden wir hier, im §F. 500, wieder. Derselbe ist
einer zwiefachen Auffassung empfänglich. Man kann ihm nämlich, indem man seinen Inhalt unbe-
stimmt läßt, eine nur hypothetische Bedeutung beilegen und nur die im positiven Rechee anerkannten
Fälle der Verjährung unter denselben beziehen; man kann ihn aber auch als den Ausdruck des Satzes
ansehen, daß alle Rechte überhaupt, also zJ. B. auch das Pfandrecht und Forderungerechte, fähig seien,
durch fortgesetzte Ausübung erworben, durch Versäumniß verloren zu werden. v. Savigny a. a. O.
S. 312. Welche von beiden Bedemungen der Begriff hier haben soll, ist nirgend ausgedrückt, und
die Verf. sind sich des Gegensatzes, der selbst den Schriftstellern jener Zeit nicht klar ist, schwerlich
bewußt gewesen; denn nirgend ist davon eine Andentung. (4. A. Das Obertr. bekennt sich in einem
Erk. d. 5. Juni 18860, Arch. f. Rechtsf. Bd. XXXVIII. S. 36, zur ersten Bedeutung. M. f. jedoch
unten, Anm. 4 zu 8. 566.) Aber in der praktischen Ausführung zeigt sich Unklarheit und Auffassung
des unbestimmten Begriffs in deiden Bedeutungen. Der zweiten ganz allgemein durchgrrisenden Na-
tur des Begriffs entspricht nämlich die ebeuso unbestimmte Begrenzung der Anwenddarkeit defselben
durch den Satz: daß f. g. res merso lacultatis nicht Gegenstand der Verjährung sein können (§. 505);
so wie die Satzung, welche eine Darlehnssorderung dadurch entstehen läßt, daß durch dreißig Jahre
Zinsen von einer vermeintlichen Schuld gezahlt worden sind (Tit. 11, 9. 839). Auch det Pl.-Beschl.
des Obertr. (Pr. 2092), v. 5. Februar 1849 (Emsch. Bd. XVI, S. 10): daß ein affirmatives Recht
auch als Gegenleistung für ein entsprechendes Recht des Verpflichteten durch Akquisitipverjährung er-
worben werden kann (der Rechtsfall betrifft einen Schmiedekonmakt), ist eine Anwendung des Begriffs
in dieser durchgreisenden Bedeutung. Vgl. o. Aum. 111 zu §. 136, Tit. 2. Dagegen ist es dem
Begriffe in dem anderen eingeschränkten Sinne entsprechend, daß doch nicht das Pfandrecht und nicht
jedes Forder ungsrecht durch Verjährung soll entstehen können (Tu. 20, 85. 6 — 10). (5. A.) Indeß
sehlt es nicht an dergleichen unjuristischen Behauptungen, gestützt auf jenen Pl.-Beschl. 2092, z. B.
daß, wenn der Küster einer Kirche durch rechtsverjährte Zeit die Kirchenthurmuhr aufgezogen und ge-
schmiert, und dafür an ihn die Stadt alljährlich eine sich gleichgebliebene Geldiumme gezahlt habe, da-
mit die Kirchengemeinde ein fortdauerndes -affirmatives Recht auf Emrichtung dieser Summe gegen
die Stadt durch Akquisitivverjährung erworben habe. Diese Behauptung hatte denn auch bei dem
Gerichte I. Instanz Beifall gefunden, wurde jedoch von dem Appell.- Gericht und dem Obertr. ver-
worsen. Erk. des Obertr. vom 21. Oktbr. 1864 (Arch. f. Rechtss. Bd LV, S. 248).
Die erste Folge des unbestimmten allgemeinen Begriffs ist die, daß alle einzelnen ganz verschiedenen.
Fälle, in welchen das Dafein eines Rechts davon abhängt, daß menschliche Thätigkeit oder Unthätigkeir
durch einen bestimmten Zeitraum ununterbrochen fortdauern, unter denselben fallen, folgerecht praktisch
identifizirt und nach ganz gleichen Regeln beurtheilt werden müßten. Dae geschieht jedoch nicht in der
Theorie des L. R., blens lein unterscheidendes Merkmal der verschiedenen Fälle gegeden wird. Und
auch die sich bewußte, auf Wissenschaftlichkeit Anspruch machende Praxis weiß sich viel von der Ver-
schiedenheit der Verjährung und der übrigen Füäten, wie z. B. der Ueberlegungefrist, der Inventari-
sationsfrist, der Prarchlristen und dergl., doch ohne ein wesemtliches Kriterium für die Einen und die
Anderen angeben zu können. Das Obertr. fagt bei Gelegenheit in dieser Hinsicht: „Vom Begriffe
der Verjährung sind, wie das Obertr. schon früher ausgesprochen hat (Entsch. Bd. VI, S. 395;
Bd. IX, S. 45, 46), nicht nur vielerlei Fristen, au welche die Ausübung eines Rechts geknülpft ist,
sondern auch insdesondere diejenigen Veränderungen in den rechtlichen Befugnissen einer Person aus-
geschlossen, welche, wenn gleich nach einem gewissen Zeitabschnite, doch schen lediglich mit Ablauf
einer, den Anfang oder die Dauer der Ausübung eines Rechts bestimmenden Frist, eines dies s duc
oder ad auem, eintreten. Der §. 500 bestimmt zwar den Begriff der Verjährung als eine Verän-
derung, welche an Rechten, wegen unterlassener Ausübung, vermöge der Gesetze enrsteht. Es erhält aber
diese Definition eine nähere Begrenzung, insbesondere bei der Verjährung durch Nichtgebrauch, in der
„Wirkung“ dieser Verjährung, welche nach F. 568 darin besteht, daß eine rechtliche Bermuthung bewirkt
wird, die ehemals entstandene Berbindlichkeit sei in der Zwischenzeit auf die eine oder die andere Art aufge-
hoben worden. Hierdurch wird die Verjährung dem rechtlichen Begriffe nach getrennt von den man-
nichsachen Zeitfristen, wie sie 3. B. bei der Beweiskraft der Ouinungen, der Einrede nicht erhaltener
Valuta eines hyupothekarischen Darlehns, ja bei jeder Präkinsivfrist im Prozesse vorkommen. Der
Ablauf aller dieser Fristen bewirkt ebenfalls eine Veränderung in Rechten; er Färueidel die Verfolgung