512 Erster Theil. Neunter Titel.
brauchs, so lange die Sache oder das Recht, welche den Gegenstand des Eigenthums
ausmachen, in dem Besitze des Eigenthümers sich befindet “).
8. 505. Rechte der natuͤrlichen oder der allgemeinen bürgerlichen Freiheit, denen
durch Gesetze oder rechtsgültige Willenserklärungen keine besondere Form oder Bestim-
mung vorgeschrieben ist (Res merae facultatis) 5), gehen durch die bloße Unterlassung
des Gebrauchs derselben nicht verloren.
§. 506. Dies gilt besonders von dem Rechte, in seiner eigenen Sache etwas,
worüber die Gesetze nichts Besonderes bestimmen, zu thun, oder nicht zu thun ).
wo ich sie verlor, liegen Ptfeben ist und kein Auderer sie in Besitz genommen hat.“ Simon,
Material. S. 510. Diese Theorie ist nicht angenommen.
45) (t. A.) Auch das Eigenthum einer Sache geht durch bloßen Nichtgebrauch verloren, wenn
der Eigenthümer während rechtsverjährter Zeit sich nicht im Besitze befunden hat. Erk. des Obertr.
vom 7. Januar 1852 (Arch. f. Rechisf. Bd. IV, S. 50).
5) Dieser Kunstausdruck und was damit bezeichnet werden soll, gehört der in das L. R. Überge-
gangenen Irrlehre an, daß die Usukapion und die Klagverjährung nicht verschiedenartige Institute und
nur auf die positiv dezeichneten Fälle anwendbar seien, sondern vielmehr, daß alle möglichenu Rechte
überhaupt der Veränderung durch Zeitablauf unterworsen, wesche Rechtsveränderung Verjahrung heiße.
Aber gewisse Fälle wollen die Vertreter dieser Irrlehre doch ausnehmen, zu deren Bezeichnung sie
den Kunstauêdruck erfunden haben. Das war aber leichder als die Bestimmung des damit bezeichne-
ten Begriffs, und nun ist man völlig im Ungewissen: welche Rechte verjährbar sind, welche nicht.
Eine bestimmte Befugniß kann, je nach den Umständen und Beziehungen, eine res merse facultatis
und zugleich auch keine sein, z. B. die Kündigung eines auf Kündigung ausgeliehenen Kapitals. Die
Verf. des L. R. haben sich versebich bemüht, diese Ausnahmen hier, in den 89. 504 ff., durch allge-
meine Sätze und Begriffe zu bestimmen. Die Gesetzrevision haue dies ganz aufgegeben und sich genö-
thigt gesehen, zu der ursprünglichen richtigen Theorie zurückzukehren, d. h. die Unverjährbarkeit als
Reyel hinzustellen und die der Verjährung unterworsenen Rechte und Befugnisse positiv zu bestimmen.
„Eine eigenthümliche Schwierigkeit“ — fagen sie in den Motiven des bürgerlichen Gesetzbuches, Th. U,
T. 32 — „haben bei der Behandlung der Lehre von der Verjährung stets (7) die res merse facultatis
gemacht, oder diejenigen Rechte, welche durch unterlassene Ausübung nicht verloren gehen, weil sie als
ein Ausfluß der narürlichen oder bürgerlichen Freiheit zu handeln betrachtet werden. Doa diese Freiheit
auf speziellen Anordnungen beruht (?), so ist eine allgemeine Definition in dem Umfange, daß alle
Fälle zu entscheiden wären, gar nicht zu geben. — Um die hiernach bei der Definition von „res merae
facultalis“ hervortretenden Schwierigkeiten zu umgehen, war vorgeschlagen, die S§s. 504 bis 508 d. T.
ganz sallen zu lassen, da es nur darauf ankomme, zu bestimmen, wann cine Verjährung satt-
finde — nicht aber, wann sie nicht stattfinde.“ Das war das Naturgemäße, denn die bürger-
lichen und natürlichen Freiheiten beruhen gar nicht auf speziellen Anordnungen, vielmehr sind sie die
Grundlage des ganzen positiven Rechts; sie erhalten ihr Dasein nicht erst durch das positide Recht, wer-
den vielmehr durch dasselbe begrenzt und beschränkt. — Für eine sichere praktische Anwendung der 8.
504 — 508 läßt sich hiernach keine bestimmte Regel geben, die Anwendung beruhet auf zufälligen indi-
diduellen Auffassungen und Ansichten. Uebrigens gehört der Begriff der res meorse facultatis nicht
unter die allgemeinen Lehren von der Verjährung Überhaupt, sondern nur zur Lehre von der Verjäh-
rung durch Nichtgebrauch.
6) Dazu rechnet man z. B. auch die Nachforderung einer sormgemäßen Urkunde über den Er-
werbstitel. Das Obertr. hat in dem Pr. 1437, vom 13. April 1844 den Satz ausgesprochen: „Bei
der Cession ciner eingetragenen Forderung, welche durch schriftliche Privaterklärung unter Aushändigung
des Schuld-- und Hypothekeninstrumentes erseint ist, kann der Cedent den Anspruch des Cessionars,
daß er die Privatression gerichtlich oder notariell anerkenne, und dadurch ihr die zu ihrer Subinskrip-
tion in das Hypothekenbuch vorgeschriebene Form beschaffe, nicht durch die Einrede entkrästen, daß seit
der Cessionsertheilung bis zur Anstellung der Klage die 30jährige Verjährungsfrist schon abgelaufen ge-
wesen.“ Doch gehört dieser Fall nicht hierber. Denn die öffentliche Urkunde gehört, in sofern sie noth-
wendig ist, zur Verfektion des Rechtsgeschäfts. Man hat mithin die Sache so anzuseheu, als wären
die Kontrahenten 30 Jahre lang in der Berhandlung stehen geblieben. Außerdem ist, wenn das Rechts-
chäfr durch die privarschriftliche Urkunde vollendet worden ist, in der That nicht findbar, wie die Ver-
sahrung soll ausgeschlossen sein können.
Dagegen gebört hierher der durch Erk. des Obertr. vom 4. November 1835 (Ulrich, Bd. Ul,
S. 62) emschiedene Fall, daß die Anlage und Unterhaltung von Befriedigungen in freier Feldflur,
als eine willkürliche Haudlung, nicht der Verjährung unterworsen. Bergl. auch unten Aum. 56, Abfl. 2
8. 545. — (5. A.) Aber die Erhöhung eines Wehrs gehört, insofern durch dieselbe auch die Gerecht-
same Anderer berührt werden, nicht zu den sogenannten res merse lacultatis, in Ansehung deren der
Eigenthümer einer Sache nur insoweit einer Beschränkung unterworfen ist, als ein Anderer ein entge-