Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Erwerbung des Eigenthums. 515 
§. 513. Daß Jemand von seinem Rechte keine Nachricht erhalten könne, wird 
nicht vemnuthet 16). 
8. 514. Wer die Handlung oder Begebenheit erfahren hat, auf welche sein Recht 
sich Hründet. kann die Unwissenheit der daraus entstehenden rechtlichen Folgen gegen 
die Verjährung in keinem Falle vorschützen 27). 
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Valenti agere non currit praescriptio, gemacht; man könute daher annehmen, daß die aufgezählten 
älle nur als Beispiele augesehen werden dürften. Indeß enthalten die beiden §5§. 512 u. 516 in der 
hat doch Grundsätze und nur die §S§. 518— 529 Beispiele der Auwendung, was auch die Praxis 
angenommen hat. S. Entsch. des Obertr. Bd. XV. S. 118. In einer Amm. zu §. 420 des Ent- 
wurfs werden die leitend gewesenen Gesichtspunkte angegeben. „Die Verjährung“ — wird gesagt — 
„ist an sich nicht natürlichen Rechtens. Deun in der Natim liegt nichts, warum ein Recht boß um 
deswillen, weil davon in einer gewissen Reihe von Jahren kein Gebrauch gemacht worden, verloren 
hen solle.“ Um jedoch das Eigenthum der Dinge gewiß zu machen, und weitanssehende verwickelte 
Prorese zu verhmdern, ist sie durch die positive Gesetzgebung eingeführt worden. So wie aber Über- 
haupt der Gesetzgeber die Obliegenheit, für die Vorbeungung und Verhinderung solcher Prozesse zu sor- 
gen, seiner Hauptpflicht, die Bürger des Staates bei ihrem Eigenthume und ihren Rechten zu schützen, 
stets unterordnen muß, so müssen auch bei der Verjährung die Bestimmungen so gefaßt werden, daß 
nicht an sich klare und wohl hergebrachte Rechte durch eine ganz unverschuldete Unwissenheit des In- 
baders oder durch unwidertreibliche Hindernisse in deren Versolgung, verloren geben. Daher !. nöthig 
befunden worden, den an sich so billigen und vernünstigen, aber durch den Gerichtsbrauch so sehr ein- 
geschränkten Grundsatz: non valemi agere non currit praeseriptio, da, wo von dem Anfange der 
Verjlährung die Rede ist, in einem größeren Umfange beizubehalten und anzuwemen. „Dagegen 
giedt die Anwendung eben dieses Grundsatzes bei Hindernissen, welche zwischen dem Anfange und Ab- 
laufe der Verjädrung eintreten und wieder aufhören, zu sehr weitlänftigen und verwickelten, oft ins 
Kleinliche gehenden Zeitberechnungen Anlaß, und hat demnach für diesen Fall keinen vernünftigen 
Grund; indem gar nicht zu vermuthen ist, daß Jemand, der sich 20 oder 30 Jahre lang um seine 
Rechte nicht bekümmert hat, just in den etlichen Wochen oder Monaten, wo er außer Landes geschickt 
oder die Gerichte geschlossen gewesen u. s. w., solche ausgellbt haben werde. Es darf also nur für 
den Lu- wenn die Verjährungsfrist während der Bestehung eines solchen Hindernisses abläuft, oder 
das Hinderniß erst kurz vor dem Ablaufe der Frist gehoben wird, gesorgt werden.“ 
148) Wohl aber kann die berrits angefangene Verjährung sortgesetzt werden; denn der Ein- 
tritt eines der hier gedachten Hindernisse unterbricht dieselbe nicht. §. 530. S. die vor. Anm. Vergl. 
Entsch. des Obertr. Bd. XV, S. 117. 
15) Die bloße Abwesenheit n ein solcher Umstand, der von selbst in Gemähheit dieser gesetzlichen 
Vorschrift den Ansang der Verjährung hindert, nicht. 8. 541 d. T. Eutsch. des Obertr. Bd. XII, 
S. 138. (4. A.) Aber der §. 512 ist auch nicht dahin zu versiehen, daß es dem Berechtigten durch- 
aus ummöglich bewesen sein muß, von seinem Rechte Kenntniß zu erhalten; es genügt vielmehr, wenn 
anspre hn unbekannt geblieben ist. Erk. des Obertr. v. 17. Dez. 1851 (Archiv f. Rechtsf. Bd. III, 
370). · 
16) S. die folgende Anmerlung 17. Die uspahmeen finden sich in den §§. 518 ff. d. T. 
(4. A.) Werden von Dem, gegen welchen die Verjährung geltend gemacht wird, Umstände nach- 
wiesen, die dafür sprechen, daßt er von dem ihm zustehenden Rechte oder von den Handlungen des 
Periähretden, keine Kenntniß hatte und haben konnte, so muß Der, welcher sich auf die Verjährung 
beruft, nachweisen, daß der Andere seit L##ger als rechtsverjährer Zeit die fragliche Kenntniß gehabt 
be oder gehabt haben konnte. Erk. des Obertr. v. 17. April 1860 (Archiv für Rechtsf. Bd. XXXVII, 
. 182). 
17) Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle. Wenn nämlich Jemand um ein ihm zustehendes Recht 
sich gar nicht bekümmert und deshalb unnnterrichtet von den ihm daraus erwachsenden Vortheilen 
bleibt, obwohl er bei gehöriger Aufmerksamkeit oder Vorkehrung der geeigneten Maßregeln, nicht 
wodl in Unwissenheit darüber hätte bleiben können, so soll i3n die Entschuldigung, daß er von seinem 
Rechte keine Kenntniß gehabt, gegen die Verjährung nicht schützen; Überhaupt aber nicht vermuthet 
werden, daß Jemand von seinem Rechte keine Nachricht erhalten könne. Gründete sich aber das Je- 
mandem zustehende Recht nicht in den bisherigen Verhältmissen desselben, sondern eutstand erst ans 
einer äußeren Handlung und Begebenheit, so soll es darauf ankommen: ob er diese Handlung oder Be- 
gebenheit erfahren hat; in welchem Falle ihm bei Nichtbefolgung der aus solcher Begebenheu entsprun- 
genen rechtlichen Befugnisse eine vorgeschützte Unwissenheit der letzteren in keinem Falle gegen die Ver- 
jährung zu Statten kommen soll. „Dagegen läßt das Gesetz oseendar schließen, daß, wenn ihm die 
fragliche Handlung oder Begebenheit unbekannt geblieben war, auch aungenommen werden solle, daß er 
von seinem Rechte nicht habe unterrichtet sein können.“ So legt das Obertribunal die S§. 513, 514 
aus. (Entsch. Bd. XII, S. 189.) 
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