570 Erster Theil. Neumter Titel.
die schon seit einer zur gewöhnlichen Verjährung hinureichenden Zeit in den Händen ei-
nes Dritten sich befand, der kann diese Sache dennoch, vermöge des Rechts seines Ver-
käufers zurückfordern, wenn gegen diesen, zur Zeit des Verkaufs, die Vier und Vier-
zigjährige Präskription noch nicht vollendet war 7#„). *
§. 639. Wenn Fiskus, Kirchen, oder andere dergleichen Korporationen, in die
Rechte einer Privatperson eintreten, so können sie eine, gegen diesen ihren Vorfahren
schon vollendete Verjährung, durch Vorschützung des ihnen selbst zu Statten kommen-
den längern Zeitramns, nicht anfechten. (Tit. 11, §§. 405, 406.)
§. 640. In untheilbaren oder gemeinschaftlich besessenen Sachen und Rechten,
kommt das dem Fiskus, der Kirche u. w. beigelegte Privilegium auch dem nicht pri-
vilegirten Mitbesitzer zu Statten 7). . 6
e §. 641. Der vollständige ruhige 5°0) Besitz einer Sache oder eines Rechts")
e besondere Deuderung vorgunehmen es wird vorausgesetzt, daß der Verkäufer (Fiskus) seine Vindika-
tionsklage, statt Uebergade der Sache, dem Käufer übertragen habe.
78°) (4. A.) Aber wenn zur Zeit des Verkaufs auch der 30jährige Zeitraum noch nicht verstri-
chen war, so genügt auch gegen den Nachfolger des Fiskus zur Ersitzung ein 30jähriger Besitz. Erk.
des Obertr. vom 30. April 1852 (Arch. f. Rechtsf. Bd. V. S. 222).
79) Vergl. o. F. 575 und die Anm. 14 dazu. — (3. A.) Von dem Privilegium der Unverjährdar-
keit, wie es z. B. in der Mark Brandenburg die Kirche hat, gilt der Grundsacz des 8. 640 nicht, viel-
mehr hat die Praxis in dieser Hiusicht solgenden Rechtssatz angenommen: „Die Unverjährbarkeit der
Kirchen- und Pfarrgrundstücke in der Mark und die Unzulässigkeit der Verjährung von Servituten
gegen ebendieselben, schließt nicht aus, Grundgerechtigkeiten, insbesondere Hiltungsrechte auf Privat-
rundstücken durch Verjährung zu erwerben, die einem gleichartigen Rechte seitens der Kirche oder Pfarre,
i es allein oder mit auderen Berechtigten, resp. dem Eigenthümer selbst, unterliegen. Es wird jedoch
zur Vollendung der Verjährung ein 44jähriger Zeitraum erfordert.“ Pr. des Obertr. 2530, vom
13. Juni 1854 (Entsch. Bd. XXVIII, S. 120). Mit anderen Worten: Grundgerechtigkeiten, welche
einer Kirche r. auf Privatgrundstücken zustehen, können ohne Begrenzung, also auch bis auf ein Ge-
ringes, durch Verjährung geschmäálert oder entzogen werden, indem auch Andere dieselbe Grundgerech-
tigkeit im belicbigen Umfange durch Ersitzung erwerben und damit ueben der Kirche benutzen.
Zur erwerbenden Verjährung von Eigenthums- oder auderen Rcalrechten an Grundstücken, welche
sich im Mitcigenthume des Fiskus befinden, ist, ohne Rücksicht darauf, ob die übrigen Miteigemdümer,
in Bezichung auf die Verjährung, mit dem Fiskus gleiche Rcchte haben, oder nicht, nach dem N. N.
ein 40jähriger und nach den Vorschriften des A. LV.R. ein 44jähriger Besitz der Sache oder des Rechts
erforderlich. Pr. des Obertr. vom 9. Februar 1838. (Emsch. Bd. UI. S. 180.)
80) Der Nachweis eines Titels und bons tides find nicht erforderlich. Suarcz bemerkt in die-
ser Beziehung: „Ad K. 502 (d. i. unser §. 641) wird richtig bemerkt, daß, wenn gleich bei dieser prue-
scriptione anomala weder titulns noch bona ücdes erforderlich wäre, dennoch ein vollständiger und ru-
biger Besitz vorhanden sein müsse, wonach also dieser §. bestimmter zu fassen sein wird.“ Simon
a. a. O. S. 555. In Folge dessen ist der §. 502 des Entw.: „Der Besitz vom Jahre 1740 schützt
den Besitzer“ u. s. w. so geändert, wie unjer §. 641 lautet. Die Meinmigen stimmten über die Er-
sordernisse des Titels und des guten Glaubens nicht überein. Die neuere Praxis hat sich im Sinne
jener Monenten und der Verf. ennschieden, nach zwei Pr. des Obertr. 1. Pr. 1970, vom 11. Jonuar
1848. Zur Verjährung durch den Besitz in den Normaljahren genügt es, daß der Besitz ein vollstäu-
diger und ruhiger war; auf den Nachweis des Titels kommt cs nicht an. (Entsch. Bd. XVI. S. 132.)
2. Pr. 2001, vom 14. April 1848. Der Besitz in den Normaljahren 1740 und 1797 muß ein voll-
ständiger sein, erfordert also nur den Nachweis dieser Eigenschaft, nicht aber auch den des guten Glau-
dens. (Eutsch. Bd. XVII. S. 139.) Die ältere Praxis war entgegengesevt. Mathis, Zd. VI.
S. 10, Stengel, Bd. VII, S. 230. — (5. A.) Auch kann demjenigen, welcher sich auf den voll-
ständigen ruhigen Besitz im Normaljahre stützt, der Einwand, daß das betroffene Grundstück verpachtet
gewesen, nicht entgegengesetzt werden. Erk. des Obertr. v. 6. Febr. 1866 (Entsch. Bd. LVI, S. 81).
608) (#ä. A.) Unter dem „Rechr“ ist eine fiskalische Gerrchrigkeit (ein niederes Regale), welche
selbstständig besessen werden kann, wic 3. B. die Jagd, die Zollgerechtigkeit, die Fischerei in einem öf-
sentlichen Strome u. dergl., verstanden. Bergl. die folg. Anm. 32. Daber entschewet der ruhige Besitz
im Normaljahre bei Erwerbung von Seroumen gegen Domänengrundstücke nicht, vielinehr können
solche nur durch 44ährigen Besitz erworben werden. Augenommen von dem Obertr. in dem Erk.
v. 20. Juni 1854 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XV. S. 1). (5. A.) Daran hat jedoch das Obertr. nicht fest-
gehalten. In dem Erk. vom 6. Februar 1866 erkennt Dasselbe auch die Erwerbung ciner Wegegercch-
nigkeit gegen eine Domäne durch den Rechtsbesitz im Normaljahre 1797 an. (Entsch. Bd. LVI, S. 81.)
Dies ensspricht auch dem Wortlaute des Geschzees.
(5. A.) S. unten die Anm. 84, Abl. 2.