Von Erwerbung des Eigenthums. 573
§. 644. In Ansehung derjenigen Provinzen, wo entweder gar keins) derglei-
auf die eigene Praxis sällt auch nicht ins Gewicht. Einestheils ist die Relation nicht ganz korrekt,
indem in den beiden Fällen die Frage: ob just im Normakjahre selbst ein Besitzakt im Betreff des
streitigen Rechrs stargefunden haben müsse, zur Entscheidung nicht vorlag und deshalb auch in den
gedachten Erkenntnissen nicht geradezu emschieden worden ist. Denn die Kläger hatten ihren Anspruch
nicht auf diese Frage, sondern darauf get ründet, daß sie die Gerichtsbarkeit im Normaljahre selbst
wirklich ausgeübt hätmen und daß das Recht auf erblose Verlassenschaften ein Ausfluß, ein Bestand-
theil der Gerichtsbarkeit sei. Anderntheils ist in einem älteren Falle v. J. 1821, S. 118 das Schles.
Archivs Bd. II. in dem Appellations = Erk. ausdrücklich ausgeführt: „Wenn nun auch spätere Fälle
bis zum Jahre 1740 nicht vorgekommen, so muß doch exr adductis angenommen werden, daß der
Magistrat zu Brieg bie zu diesem Jahre und in demselben sich im Besitze des Rechts auf herrenlose
Sachen und Erbschaften besunden habe, da Fiskus nicht nachzuweisen vermocht hat, daß er in der
Zwischenzeit seiner Seits dieses Recht ausgeübt, und dadurch die Stadt wieder außer Besitz gesetzt
hat.“ Dieses Erk. hat das Obertr. durch das Revisions = Erk. de publ, den 7. Oktober 1823 ledig=
lich bestätigt. Der Fall ist in der obigen Berusung auf die ältere Praxis Übergangen. — Somit
it für die Rechtswahrheit des Pr. 2734 Nichts bewiesen. Dagegen ist die Ansicht des Obertr. mit
dem organischen Zusammenhange der rechtlichen Grundsätze unvereinbar. Das geschichtliche Recht er-
kennt ausdrücklich an, daß eine servitus discontinua burch Ersitzung (fortgesetzten Sestt erworben
werden konne; es sichert ferner possessorischen Schutz des Rechtsbesitzes an einer solchen Servitut zu.
Die rechtliche Möglichkeit dieser Rechtserscheinungen kaun das Obertr., indem es die Fortsetzung eines
solchen Rechtsbesitzes leugnet, mit wissenschaftlicher Konsequenz gar nicht erklären. Denn zusolge sei-
ner Ansicht ist jede wiederkehrende Besitzhandlung hier nicht eine Fortsetzung des schon erworbenen.
Rechtebesitzes, sondern eine neue Besitzergreifung. Daher gäbe es hier keine Ersitzung und ein pos-
sessorisches Rechtsmittel wäre, wenn Jemand an der Wiederholung einer Besitzhandlung gehindert
würde, nicht denkbar, weil der an der Besitzergreifung Gehinderte ja noch keinen Besitz häne, in
welchem er geschützt werden könnte. Die Rechtslehrer nehmen einen Zusammenhang der einzelnen Be-
sitbandlungen an, wenn nicht von außen gekommene Unterbrechung dazwischen getreten ist. Unter-
hol zner in der Verjährung durch Besitz sagt S. 327: „Der io Ausübung einer servitus praedli
ruslici gerichtete Besitz dauert, wegen der in seiner Natur liegenden Unterbrochenheit (Diskontiuuität)
der Besitzhandlungen so lange, als man keine Gelegendeit der Ausübung hat verstreichen lassen.“
Und in der „gesamnuen Verjährungslehre“ §. 214 Nr. II heißt es: „Bei den servitutes pracdiorum
rusticorum ist eine Ununterbrochenheit des Besitzes im strengen Sinne gar nicht möglich. Wenn nun
dennoch ganz entschieden eine Ersitzung auch bei diesen Dienstbarkeitsrechten angenommen ist: so mu·
ewissermaßen durch eine Fiktion der Zusommenhang bewirkt werden.“ v. Savigny, Recht des Be-
itzes S. 45 (6. Auszg. S. 378) nimmt in Beziehung auf die Interdikte an, daß während des bloßen
Nichtgebrauchs (ohne fremde Okkupation) der Besitz in suspenso ist, und daß es sich erst durch Er-
neuerung des Gebrauchs oder durch Ablauf des ganzen Zeitraums (des nonusus) zeigt, ob er in
der ganzen Zwischenzeit da gewesen oder nicht da gewesen ist, welches jedoch dei den Interdikten ohne
Einfluß sei. Er fügt aber in der Note 2 bei: „Eine etwas verschiedene Bewandiniß hat es mit der
Forrsetzung des Besitzes, insofern diese zu einem Erwerbe durch Ersitzung führen soll. Hier nimmt
Unterholzner (Verjährungslehre §. 214) an, der Besitz dauere fort, wenngleich gewödnliche Un-
terbrechungen der Ausübung stattsinden. — Diese Annahme scheint richtig.“ Dies der Stand
der Rechtswissenschast. Die wissenschaftliche Konsequenz darf in der Rechtsprechung, ohne pofttive
Satzung, nicht abgewiesen werden. An einer solchen Satzung fehlt es in Betreff der Normaljahre;
das Obern. sagt selbst, S. 114 des Archivs für Rechtef.: „im A. L. R. ist die Frage, ob bei einer
„ervitus discontinus zur Anwendung des §. 641 genügt, daß der Prätendent vor dem Normaljahre
in den Besitz derselben gelangt sei, oder ob ein Besitzakt im Normaljahre selbst statgefunden haben
müsse, nicht auedrücklich entschieden.“ Folglich ist das Pr. 2734 eine ungerechtfertigte Abweichung
von der wissenschaftlichen Kousequenz.
85) Die Bestimmung ist auffallend. Denn der §. 641 enthält kein Provinzialrecht für gewisse
Provinzen. Wo also kein dergleichen Emtcheidungsjahr durch Provinzialverordnungen bestimmt ist,
da kann es doch nicht dabei sein Bewenden haben, sondern es muß eben die gemeinrechtliche Bestim-
mung des K. 641 eintreten. Diese, in Bezichung auf die damals vorhandenen Landestheile — denn
auf künftige Eroberungen ist dabei nicht gedacht worden — mißlungene Fassung erklärt sich aus der
Entstehung. Im Entwurfe lautete die Bestimmung im §. 506: „Ausnahmen von der im S. 506
enthaltenen Regel sind in den Provinzial = Geseszbücheru bestimmt.“ Suarecz nägt dazu vor: „Ein
Monent will gar keine Ausnahme statuiren. Andere Monenten wollen die Ausnahmen hier augege-
den haben, damit es nicht scheine, als ob man sich vorbehalte, einer oder der anderen Provinz, wo-
rin der annun decretorius bisher stattgefunden hat, solchen wieder zu nehmen. Die Ausnahmen kön-
nen hier nicht füglich destimmt werden, iuzwischen wird die Fassung so einzurichten sein, daß Nie-
mand durch jenen Verdacht beunruhigt werden dürfe.“ Simon a. a. O. S. 555. Die Bestim-
mung soll mithin heißen: Wenn in den Provinzialgesetzen gegenwärtig auedrücklich bestimmt ist, daß