Von Erwerbung des Eigenthums. 577
§. 650. Dieser Zeitraum wird von dem Tage an gerechnet, darin dergleichen
Recht zum erstenmale ausgeübt worden??).
§. 651. Wird eine Gelegenheit nachgewiesen, bei welcher das Recht ausgeübt
werden könne, und die Ausübung dennoch unterblieben ist, so ist auch 1%) diese Art
der Verjährung für unterbrochen zu achten.
§. 652. Sie muß also von derjenigen Gelegenheit, wo das Recht wiederum aus-
geübt worden, von neuem angefangen werden.
§. 653. Hat jedoch derjenige, welcher des Rechts ½) sich anmaßt, bei der unter-
lassenen Ausübung ausdrücklich erklärt 2), daß er dieselbe nicht aus Mangel der Befug-
niß, sondern nur aus Gunst und Nachsicht gegen den Verpflichteten unterlasse, so ist
die Verjährung nicht für unterbrochen zu achten, sondern ein dergleichen Fall wird für
einen solchen, der sich gar nicht ereignet hat, angesehen.
8. 654. Hat der Verpflichtete die Erklärung des Berechtigten, daß er die Aus-
übung des Rechts bloß aus Gunst und Nachsicht unterlasse, für bekannt angenommen ?),
so hat dieses eben die Wirkung, als wenn das Recht auch in diesem Falle wirklich aus-
geübt worden wäre.
§. 655. Von öffentlichen") Lasten und Abgaben wird der Verpflichtete bloß da-
durch, daß er dieselben auch in der längsten Zeit nicht entrichtet hat, keineswegs frei.
ihre Auslbung nicht völlig von der Willkür des Berechtigten abhängt, sondern nur bei gewissen, durch
andere Umstände bert-igesipran Gelegenheiten geschehen kann, wie z. B. das Recht auf Besitzverän-
derungsadgaben; das Recht auf freies Bauholz zur Wiederherstellung eingestürzter oder abgebrannter
Gebäude. Nur auf Rechte der zweiten Klasse bezieht sich die Vorschrift des §. 649, und es ist durch-
aus juristisch, daß die Zufälligkeit einer alljährlich durch 30 Jahre vorgefalleuen Gelegeuheit die recht-
liche Beschaffenheit solcher jura discontinus und das Rechtsprinzip nicht ändert. M. l. auch Arch. f.
Rechtsf. Bd. VIII, S. 30 und Bd. XI, S. 246.
99) Nicht, wie bei der erlöschenden Verjährung (§. 543), schon mit dem Tage, „da sich eine
solche Gelegenheit ereignet hat.“ Denn erst mit der Ausübung wird der Besis ergriffen. Tit. 7,
68. 80, 81; Tit. 3, §. 46. Soll z. B. datz Recht, eine Besitzveräuderungsabgabe von einem Grund-
stücke zu erheben, durch Ersigung erworben werden, und ereignet sich der erste Fall am 1. August
1852, wo die Abgabe erhoben werden könnte, sie wird aber erst am 2. Januar 1858 gezahlt, so kann
der Anfang der Verjährung nicht auf den 1. August 1852 zurück verlegt werden, sondern ist erst vom
2. Jannar 1853 zu bercchen. Heidenreich bemerkte zum Entw., es komme immer auf die Zei
des ersten Aktus und des letzten an; wenn da die Berjährungszeit herauskomme, so komme es nucht
auf de. minien Zeit an, falls keine Unterbrechung vorgefallen. Suarez trat dem bei. Simon
a. ua. O. S. 490.
100) Auch diese außerordentliche, als wenn die gewöhnliche Verjährung bei Rechten, welche ge-
wöhnlich ausgeübt werden lönnen, schon durch einmalige Vernachlässigung der Ausübung unterbro-
chen würde. So ist es jedoch nicht. S. o. §. 597 d. T. und die Anm. 33 dazu. Das „auch“ ist
freichen. Denn daß jede Verjährung, also auch die längste, an sich unterbrochen werden kann, ist
chon in den allgemeinen Grundsä ausgesprochen, das „auch“ giebt daher, dezogen auf die Mög-
uchkeit der Unterbrechung auch Bdetu Art der Verjährung, keinen leidlichen Sinn. Der §. 651 fin-
det sich in derselben Fassung schon in dem ersten Entwurfe §. 86. Bei dessen Wbassung. scheint man
in der Meinung gestanden zu haben, daß bei der ordentlichen Verjährung (6. 48) die Unterbrechung
angeordnet worden sei; es heißt jedoch: Wird ein bergleichen Recht in einem gewissen Jahre nicht aus-
getlbt, so ruhet inzwischen die Berjährung. Suarez bemerkte aber dazu: „Es sollte wohl heißen: Wenn
in einem Foisten Jahre zu Auslübung des Rechtes keine Gelege nheit gewesen, so ruhet inzwi-
schen die Verjährung. Ckr. §. 36.“ Simong. a. O. S. 478. Dessen Meinung war also, daß die
Verjährung durch willkürliche Vernachlässigung der Ausübung durch ein Jahr unterbrochen werde.
Dazu hätte die Fassung des §. 651 gepaßt.
da * Rechts“ ist die Lesart der allerersten Ausgabe vou 1791. Spätere Ausgaben haben
„das Recht“.
2) Diese Erklärung, so wie die des Verpflichteten, gemäß des folgenden §. 654, erfordert keine
Form; denn es kommt hier lediglich auf Thatsachen an, nicht auf Rechtsgeschäfte.
3) D. h. er muß solches gegen den Berechtigten ausgesprochen haben.
4) Darunter werden hier eigentliche Staatsabgaben im Gegensatze zu Leistungen an Gemeinden
und Korporationen verstanden, und zwar auch nur die aus dem Befsteuerungerechte des Staats, als
einem Hoheitsrechte, fließenden Abgaben der Staatseinwohner, die eigemlichen landesherrlichen Steuern
Koch, Allgemeines Ladrecht 1. 5. Anfl. 37