Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von der unittelbaren Erwerbung des Eigenthums. 583 
8. 2. Der Titel zur mittelbaren Erwerbung des Eigenthums kann durch Willens- 
erklärungen. Gesetze, und rechtliches Erkenntniß) begründet werden. 
8. 3. Auch der mit einem solchen Titel versehene neue Besiper erlangt das Eigen- 
thum der Sache durch die Uebergabe, der Regel nach nur alsdann, wenn der vorige, 
r welchein der Besitz auf ihn erledigt worden, selbst Eigenthümer gewesen ist. (Tit. 15, 
42 Saq.) 
8. 1. Wird der Besitz des vorigen Eigenthümers, ohne dessen Einwilligung, 
durch den Richter für erledigt erklärt, so muß auch die Uebergabe an den neuen Eigen- 
thümer durch den Richter geschehen. (Tit. 7, S. 60.) 
§. 5. Außer diesem halle wird die gerichtliche Uebergabe zur Erlangung des Ei- 
genthums niemals erfordert. 
§. 6. Wer jedoch über ein Grundstück vor Gerichte :) Verfügungen treffen will, 
der muf sein darauf erlangtes Eigenthumsrecht dem Nichter der Sache nachweisen, und 
dasselbe in dem Hypothekenbuche vermerken lassen?2). 
#§s. 7. Der in das Hypothekenbuch eingetragene Besitzer") wird in allen mit ei- 
  
Eigenthume, wie nach dem R. R., auf der Uebergabe der Sache beruhet; der Uebergang des Eigen- 
thums kann nicht, wie nach dem franz. Code civil Art. 1138, schon durch den bloßen Bertrag ver- 
mittelt werden, wenn auch die Parteien es wollten. (4. A.) Der Grundsatz des §. 1 ist durch die 
g8. 7 ff. nicht modifizirt. Eik. des Obertr. v. 20. Jan. 18583 (Archiv f. Rechtsf. Bd. VIII. S. 226). 
1) Das richterliche Urtheil über einen Parteistreit kann nur unter der Voraussetzung ein Titel 
sein, daß es ungerecht ausgefallen ist. Denn hat es richtig entschieden, so kann es nur das, zwischen 
den Parteien schon bestandene, obwohl streitige Recht erkannt und ausgesprochen haben. Der Rechts- 
satz dat die praktische Bedeutung, daß, wenn über einen Tuel gestritten und richterlich erkannt wird, 
nicht mehr auf den streitig gewesenen Titel zurückgegangen, sondern auf das richterliche Erkenmuiß 
gesehen wird. 
2) Vor Gerichten, d. h. es wird der Verfügung des uncingetragenen Eigenthlmers keine Folge 
gegeben, aber uugültig ist sie nicht; der Eigenthümer ist z. B. zu verkaufen wohl befugt, aber der 
Käufer braucht seinerseits eher nicht zu erfüllen, als bis der Verkaufer seinen Besitztitel hat berichtigeu 
lassen. Tit. 11, SF. 126. Vergl. das Erk. des Obertr. vom 18. Juni 1811, in Simon, Rechtsspr., 
Bd. 1, S. 186. Auch der Uebergang des Eigenthums ist von der Berichtigung des Besitztitels für 
den Erwerber nicht abhängig, sie sichert ihn nur gegen nachtheilige Verjügungen des noch als Besitzer 
ersichtlichen früheren Eigenehümers, und setzt vielmehr das bereits erlangte Eigeuthum an dem Grund- 
stücke voraus. 
3) Dazu muß er eben einen Erwerbstitel in öffentlich glaubhafter Form vorlegen (§. 16 d. Tit.) 
und die Erwerbungsart, — die Tradition — nachweisen. Dazu genügt z. B. bei einem Kause nicht 
die einseitige Erklärung (Ouinung) des Käufers, daß ihm die Uebergabe zu seiner Zufriedenheit gelei- 
stet worden sei, sondern der Verkäufer muß beistimmen; sonst würde der Käufer sich willkürlich gegen 
den Willen desr Eigenthümers und Besitzers, zum Eigenthümer und Besitzer machen konnen. 
4) Ißt der Eingetragene nicht Besitzer, vielmehr der wahre aber nicht eingetragene Eigenthünfer 
im Besitze, so kann Jener das Eigenthum nicht übertragen. Denn hierzu ist Uebergabe erforderlich; 
was aber der Beräußerer selbst nicht besivt, kann er nicht übergeben. Nach dem Wortlaute kaun ein 
eingetragener Nichibesitzer von einem Dritten, der mit ihm über das Grundstück Verbandlungen schließt, 
nicht als der Eigenthümer angesehen werden. Die Praxis pflegt jedoch das Gewicht nicht auf Be- 
sitzer, sondern auf eingetragen, zu legen und denjenigen, dessen Name — vielleicht auf Grund 
eincs Kaufkontrakts ohne Nachweis der Uebergabe — eingetragen worden ist, für den eingetrage- 
nen Besitzer zu nehmen, odgleich der wahre Eigenthümer auch im Besitze ist. Für diesen Fall sind 
aber die Bestimmungen nicht gerttren. Man bezieht sich jedoch auf solchen. Vergl. Entich, des Obertr. 
Zd. XXII. S. 217. (53. A.) Die Frage ist endlich im Sinne der von mir vertretenen Meinung durch 
Pl.-Beschl. (Pr. 2501) des Oberm. v. 6. März 1854 wie solgt entschieden: „Ist der Besitztuel eines 
Grundstücks auf eine Person eingetragen, die nicht wahrer Cigenthümer ist, und hat Jemand von die- 
ser Person, sei es auch redlicher Weise, das Grundstück ganz oder theilweise angekanft, aber noch nicht 
übergeben erhalten, befindet sich dasselbe vielmehr im Besitze (§8. 7 u. 8, Tit. 7) des wahren, nicht 
eingetragenen Eigenthümers, so kann der Käufer gegen den Leyteren ein Recht auf die Sache, selbst 
wenn die Eintragung auf ihn geschehen, nicht geltend machen.“ (J.M. Bl. S. 171 und Entsch. 
Bd. XXVII, S. 287.) (4. A. Dieser Rechtsgrundsatz findet auch in dem Falle Auwendung, wenn 
der Vindikant seinen Titel von dem wahren Eigenthümer herleitet, und die Vindikation gegen einen 
Dritien richtet, der das Grundssück gleichsalls von dem wahren Eigenthümer erworben haben will. 
Erk. dce Obertr. vom 8. Sept. 1854, Arch. f. Rechtsf. Bd. XV. S. 234.) — Die absällige Meinung 
II. Von der 
mittelbaren 
Erwerdung 
des Eigen- 
thums der 
Grundstücke 
Insonderheit.