Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

I. Von den Gesetzen Uberhaupt. 53 
oder der hiesigen Unterthanen insbesondere, beschwerende Verordnungen macht, oder 
dergleichen Mißbräuche wissentlich gegen diesseitige Unterthanen duldet, so findet das 
Wiederergeltungsrecht statt. 
S. 44. Unterrichter sollen, ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten, gegen Fremde 
niemals auf Retorsion erkennen 7). 
§. 45. Dagegen können aber auch fremde durch Abtretung ihrer Rechte an hiesige 
oder andere mehr begünstigte Unterthanen, sich dem Retorsionsrechte nicht entziehen. 
§. 46. Bei Entscheidungen streitiger Rechtsfälle darf der Richter den Gesetzezä#ns 
Geseszc. 58) 
  
Einwohnerinnen aus diesem Kantone derartige Klagen hier anbringen, der Fall dem Justizminister an- 
ezeigt und vor Einleitung der Sache die Vorbescheidung abgewartet werden. Reskr. v. 4. Oktbr. 1836 
Haot. Bd. XLVIII, S. 429). 2. Der Grundsatz des franz. Rechts, daß ein, gegen einen Franzosen 
im Auslande ergangenes Urtheil keine exekutorische Wirkung in Frankreich hat. Deshalb ist von dem 
Obertr. ausgesprochen: a) daß, vermöge des Retorsionsrechts, aus einei, von einem französischen Ge- 
richtshofe gegen einen Preußen erlassenen Urtheile, wider den Letzteren in Preußen nicht als aus einem 
Judikate geklagt werden kann; b) daß ein nach französischer Verfassung ergangenes Kriminalurtheil, wel- 
ches in der Enescheidung des Civilpunkts die Nichtigkeit einer Urkunde ausspricht, dem Cessionar der in 
dieser Urkunde verbriesten Forderung nicht entgegen steht, wenn die Cession vor Einleitung des Krimi- 
nalprozesses erfolgt, der Cessionar aber bei diesem Prozesse nicht zugezogen worden ist. Pr. 1578, vom 
17. Mai 1845 (Entsch. Bd. XI, S. 151). 
57) Viele gemeinrechtliche Rechtsgelehrten lesteten das Retorsionsrecht aus dem röm. Edikte quod 
quisque juris eic. her und kamen dadurch zu der im 8. 42 verworfenen Meinung, daß schon die Ver- 
schiedenheit der Rechte die Retorsion rechtsertige, sowie zu der Behauptung, daß jeder Richter selbststan- 
dig darauf erkennen könne, wie 3 B. Stryk, usus mod., II, 2, S. V. Die Rekorsion der Rechte aber 
ist die civilistische Spezies der Nepressalien im weiteren Sinne und gehört mithin dem Völkerrechte an, 
welches sie als Minel zur Erhaltung der Rechtsgleichheit zwischen verschiedenen Nationen ausübt. Die 
Anwendung dieses Mittels kann daher nicht von untergeordneten Behörden, sondern nur von der Staats- 
regierung ausgehen oder muß doch von der höchsten Gewalt genehmigt werden. Diesen Grundsatz spricht 
der z. 44 aus, doch nur beschränkt, indem es darnach scheint, als sollten nur die Gerichte erster In- 
stanz der Genehmigung bedürfen, was nicht gemeint ist, da vielmehr von den Gerichten immer anzu- 
fragen ist. Vergl. Pr.-O. Tit. 50, §. 162; ferner A. L.R. 1I, 8, §F. 935 u. Krim.= O. §s. 96. Die 
prozessualische Form der Anwendung ist die Exception (vergl. ein N. v. 23. Febr. 1796 ad 9, in Nabe III, 
S. 280), über welche erst nach eingeholter Genehmigung zu verfahren ist; wird die Einwilligung ver- 
sagt, so wird die Exception als unzulässig verworfen. Ueber das Thatsächliche derselben wird, im Falle 
des Streits, wie gewöhnlich, Beweis erhoben, doch kann schwerlich ein anderes Beweismittel als das 
Zeugniß oder Gutachten des Ministeriums des Auswärtigen genügeude Ueberzengung verschaffen (V. v. 
24. Nov. 1843, G. S. S. 369), wenn nicht von notorischen Gesetzen oder Maximen des fremden Staa- 
tes Rede ist, die aber kürzlich sich auch wieder geändert haben konnen. Vergl. II. 8, §. 935. 
58) Damit wird nur die sog. doktrinelle oder Privatauslegung gemeint; auf die sog. legalc 
Interpretation beziehen sich die Bestimmungen gar nicht. Justinkan hat die Privatauslegung und 
solgerichtig auch das Schreiben juristischer Bücher verboten; dafür aber die Anstalt getroffen, daß alle 
Auslegung durch ihn selbst geschah. L. 11, §S. 1 C. de leg. (I. 14); L. 2, §. 21 C. de votere juro 
enucl. (I. 17). Der Richier ##ü- nur mechanisch verfahren, sich jeder freieu Geistesthätigken enthalten 
und im Zweifel anfragen. Ein gleiches Verbot, daß sich Niemand unterstehen sollte, einen Kommentar 
oder eine Dissertation über das Gesetzbuch zu schreiben, giebt das erste Gesetzbuch (lroject des corp. 
Jur. Frid.) Th. I. Tit. 2, §. 10, und ein ähnliches Verbdot enthält die landrechtliche Gesctzgebung in 
dem Epilog des Publ.-Pat. v. 5. Febr. 1794, und in richtiger Folge davon ist der Privatauslegung, 
möge sie von Lehrern oder Nichtern ausgegangen sein, jede bindende Kraft abgesprochen (S. 6 der Einl.); 
dagegen aber in einer Gesetzkommission eine Staatsanstalt errichtet worden, welche die Gewißheit und 
Einheit des Rechts durch bindende Auelegung der Gesetze, in ähnlicher Weise wie Justinian durch 
Restripte, schützen sollte. Der Richter sollte, während des Prozesses, wenn er den eigeutlichen Sinn 
der Gesetze zweifelhaft fände, bei dieser Gesetzkommission anfragen und nach deren Beschlusse den Pro- 
zeß entscheiden, doch sollten den Parteien die gewöhnlichen Rechtsmittel dagegen undenommen bleiben. 
§§. 47 u. 48 Einl. Die Rechtsminel konnten in Bezichung auf die Rechtsfrage selbstverständlich nie Er- 
folg baben, da ja den Auslegungen der Gesetzkommission bindende Kraft beigelegt war, also auch die 
Appellationsgerichte sich darnac richten mußten. K.O. v. 14. April 1780 a. E. (Rabe I, 1, S. 439) 
u. Pat. vom 28. Mai 1781 (N. C. C. VII, S. 337). In dieser Form brachte die Staatsanstalt „den 
Uebelstand, daß dunkle und zweiselhafte Gesetze im Laufe eines Prozesses erklärt, und die Erklärungen 
auf vergangene Fälle angewendet wurden, — wodurch die Parteien, indem manche Prozesse im Grunde 
nach einem neuen Gesetze, das die Parteien vorhin nicht kennen konnten, — entschieden wurden, in 
Schaden und Nachtheil kamen, ohne dabei einmal an kürzerer Dauer oder minderen Kosten zu gewin- 
nen, da oft erst in der letzten Instanz angefragt, oder wenn solches auch in den ersten Instanzen geschah,
	        
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