II. Allgemeine Gimdsätze des Rechts. 65
gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigsteus vorläufig festzustellende Eutschädigung ss) nach Maß
gabe des Gesetzes entzogen werden.
§. 76. Jeder Einwohner des Staats ist den Schutz desselben für seine Person
und sein Eigenthum zu fordem berechtigt.
test §. 77. Dagegen ist Niemand sich durch eigene Gewalt Recht zu verschaffen 5)
efugt.
§. 78. Die Selbsthülfe kann nur in dem Falle entschuldigt werden, wenn die
Hülfe des Etaats zur Abwendung eines unwiederbringlichen 7) Schadens zu spät kom-
men würde.
§. 79. Die Entscheidung der vorfallenden Streitigkeiten, so wie die Bestim-
mung der zu verhängenden Strafen, muß den, einem jeden Einwohner des Staats
durch die Gesetze angewiesenen Gerichten überlassen werden ?7 5).
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den. Diese Meinung ist jeder Einsicht in den inneren, orgauischen Zusammenhang baar; sie weiß nur
von Konsensualverträgen; jede andere Uebertragung einer Sache von Einem auf den Anderen, unter
dem Bedinge der unbestimmt gelassenen Vergiliung, ist ihr kein Vertrag (do ut des). Der andere
Fall, wenn der Eigenthümer 46 nicht bereit zeigt, kann eher Zweifel veranlassen. Alsdaun kommt
es zum Ausspruche der zuständigen Behörde, da der Eigenthümer zur Ueberlassung gezwungen werden
solle. Dieser Ausspruch wird, bei fortgesetzter Unthängkeit des Eigenthümers, wie ein Urtel, voll-
gecte und zwar dadurch, daß ein Dritter auftritt und für ihn honden. Die Erwerbung ist zwar
ier eine zwangsweise, aber doch eine mittelbare, wobei der Eigenthümer Autor und zur Gewährs-
leistung verpfli bleibt, geradeso wie bei einer durch den Richter zwangeweise vollzogenen Cession
oder wie bei einem zwangsweise durchgeführten Wiederverkauf. Der rechtliche Zwang ändert den Cha-
rakter des dadurch zu Stande gebrachten Rechtsgeschästs nicht. So betrachtet hat auch die in Folge des
Expropriationsrechts erzwungene Erwerbung eine Kontraktsnatur. Entsprechend bezeichnet das Obertr.
a. u. O. S. 85 das zum Grunde liegende Rechtsverhälmiß als ein folches, welches „mehr einem noth-
wendigen Verkaufe analog, wodurch der Private sein Eigenthum für den gesetzlich ausgemittelten Werth
dem Scaate überläßt“.
85) Zur vollständigen oder auch nur billig gerechten Entschädigung gehört, daß, wenn die Ver-
Utung nicht durch Kapitalszahlung geleistet wird, sondern durch eine Grche Reute erfolgen soll, da-
fuür Sicherheit bestellt werden — wenn nicht der Staat selbst der Schuldner, welcher immer sicher
ist. Die Anwendung des Grundsatzes ist im §S. 13 des Eisenbahnges. vom 3. Nov. 1838. Die Recht-
fertigung liegt in der Rechtegleichheit beider Theile, welche Leistung und Gegenleistung Zug um Zug
fordert und dem Eigenthümer nicht zumuthet, sein Eigenthum ohne Zahlung oder Sicherstellung dem
Anderen zu Überlassen.
86) Auf die Privatgewalt beziehen sich noch 1, 3, s§. 26 — 29. Die Selbsthülfe hat, nach pr.
R., keine nachtheiligen Civilfolgen. Ueber R. N. f. Prid. R. §. 206, und Recht der Forderungen,
. 401, außerdem: Linde, Abh. über die Selbsthülse; in der Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß,
Bd. 1. S. 392 flg., und Sartorius, ebd. Bd. XX, S. 1 s#cte Dr. Beufey, Beiträge zur Lehre
von der Selbsthülfe nach Römisch-Justinianeischem Rechte; im Rheinischen Museum, Bd. VII, S. 1 flg.
87) Die Vorschrist des §. 78 bezieht sich auf die strafrechtliche Seite der unerlaubten Selbsthülse,
welche im Strafrechte des L. R. als ein Vergehen figurirte. Das Strafgesetzbuch von 1851 kennt ein
solches Vergehen nicht, die Selbsthülse kann nur als widerrechtliches Eindringen in ein fremdes Besitz-
thum, oder als Beschädigung, oder als Eutwendung verfolgt werden. Dabei kommt denn der Ent-
schuldigungsgrund, welchen der §. 78 anerkeunt, auch noch im heutigen Rechte zur Anwendung. Der
Meinungsstreit: ob unter der Unwiederbringlichkeit des Schadens eine absolute, oder eine relative, oder
auch eine nur vermeintliche, oder doch vernünftigerweise befürchtete zu versteben, ist bei der veränderten
Beweistheorie unerheblich; es kommt lediglich auf die Ueberzeugung des Nichters an: ob der Selbst-
lfer ein Recht, und nach den Umständen sowie der Persönlichkeit des Verletzten eine Gesahrdung an
einem Rechte zu befürchten vernünftigen Grund hatte, wenn er nicht eigenmächtig eingeschritten wärc.
Ein Richter, welcher diese Ueberzeugung hat, wird den Angeklagten wohl für entschuldigt halten, und
ihn also nicht schuldig sprechen.
87 2) (4. A.) Zur Begründung der schiedsrichterlichen Kompetenz bedarf es eines darauf gerichte-
ten, von den Parteien vor Einleikung des Prozesses rechtsgültig geßtlaslenen und, unabhän Lgion
den Prozeßverhandlungen, selbststän ¾ä¾l beurkundeten Vertrages (Kompromisses), widrigensalls der hieds-
richterliche Spruch nichtig ist. Die Erklärungen in den Prozeßschriften, dem Schiedsgerichte gegenüber
a eeeen , ersetzen diesen Vertrag nicht, und die Mandatarien der Parteien müssen zur Abschließung
des Kompromisses mit Spezialvollmacht versehen sein. A. G.O. Th. I, Tit. 2, 6. 167, 176. Erk.
des Obertr. v. 2. Mai 1861 (Archiv f. Rechtsf. Bd. XL, S. 363).
Koech, Allgemeines Landrecht I. 5. Aufl. 5