Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

838 Erster Theil. Eilfter Titel. 
§. 1041. Wo eine besondere persönliche 7), obschon nicht gesetzlich verbindende 
Pflicht zur Wohlthätigkeit vorhanden ist, da wird vermuthet, daß das ohne Vorbe- 
halt ) Gegebene?) in der Absicht, solches zu schenken, gegebr worden. 
8. 1042. Was also ½0) Verwandte in auf# und absteigender Linie, Geschwister 
und Eheleute, einander ohne Vorbehalt geben, wird für geschenkt angesehen, so 
lange nicht ein Anderes aus den Umständen 11) erhellet, oder durch besondere Gesetze 
bestimmt ist (Th. II, Tit. 1, Abschn. 5) 12). 
allein keine rechtliche Folge haben soll, und daher bei dem Mangel der Acceptation eine Schenkung 
nicht zu Stande gekommen wäre. Es bleibt mithin lediglich bei dem wirklich vollzogenen Rechtsge- 
schäfte, der negotiorum gestio. §. 406, Tit. 14 und Anm. 1 zu §.. 1037 d. T. Nach R. R. ist 
es anders: darnach kann in dieser Form Jemand wider sein Wissen und Willen beschenkt werden. 
L. 14 D. de don. (XXXIX, 5); L. 2 i. f. C. de rei vind. (III, 32); L. 23 D. de solut. (XLVI. 3)0. 
Welche andere Justa causa einem stumm, oder unter einer zweifelhaften Willenserklärung, vollzoge- 
nen Geben unterliegt, muß, wenn keine Bermuthung für eine Schenkung zutrifft, aus den Umstän- 
den gefunden werden. 
7) Eine besondere persfönliche Pflicht zur Wohlthätigkeit, d. i. eine durch Familienver= 
hältuisse gegrilndete, im Gegensatze zur allgemeinen christlichen und menschlichen Pflicht, auf welche 
im §. 1043 und 1044 gleichfalls eine Vermuthung gegründet wird. Bergl. unten, Anm. zu §. 234, 
Tit. 2, Th. II. 6 
8) Ohne Vorbehalt, d. h. eben ohne alle Erklärung oder unter zweifelhafter Erklärung, so 
daß die eigentliche Absicht, in welcher gegeben und angenommen worden (die causa), ungewiß ist. 
Vergl. auch die Entsch. des Obertr. vom 27. Septbr. 1839, im Schl. Arch. Bod. IV. S. 368. Wäre 
die Absicht beim Geben ausgesprocheu worden, so könnte das dadurch vollzogene Rechtsgeschäft dinter- 
drein einseitig nicht verändert werden. Hätte z. B. Jemand dem Anderen in der gewissen Absicht. 
schenken zu wollen, eine Sache gegeben, so würde es ganz vergeblich sein, wenn er nach der An- 
nahme noch einen Vorbehalk nachholen wollte. 
9) S. o. die Anm. 6. Dem „Gegebenen“ ist auch das Geleiste te (Anm. 11) und anedrück- 
lich Gestattete in dieser Beziehung gleichzustellen. (5. A. Angenommen von dem Obertr. in dem 
Erk. vom 2. November 1865, Archiv f. Rechtsf. Bd. I. X, S. 153.) Nicht aber kann von Schen- 
kung auch unter den also verbundeuen Personen Rede sein, wo die Person, aue deren Vermogen 
das Geschenk kommen soll, dasjenige, was sie an den Anderen kontraktlich zu sordern datte, zu sor- 
dern eine Zeit lang unterlassen hat, wie seltsamerweise ein Appell.-Gericht erkannt hat (Erk. des Obertr. 
vom 9. Februar 1865, Arch. für Rechtsf. Bd. LVII, S. 222), oder wo diese Person sich passiv bei 
der Entziehung des ustandes verhält, z. B. wenn der Andere durch Geschäftsbesorgung erwas an 
sich genommen gu- eber einen solchen Fall entscheidet das Erk. des Obertr. v. 13. Märg 1846 
(Ulrich, Arch. Bd. XII. S. 265) sachgemäß. Die Frage ist nich zweiselhaft. 
10) Also emhält dieser §. eine bloße Anwendung des im vorhergehenden §. 1041 ausgesproche- 
nen Prinzips: daß unter den Personen, welche durch Familienverhältnisse mit einander in Bertin- 
dung stehen, Schenkung zu vermuthen sei, wenn die bezeichnete Voraussetzung zutrifst. Treffend sagt 
daher das Pr. des Obertr. 260, v. 27. Mai 1837: „Die Vermmhung der Schenkung beschrankt 
sich nicht bloß auf die im §. 1047 bezeichneten Verwandten; er bezeichnet nur einzelne Fälle, in de- 
nen diese Vermuthung eintritt.“ Die ist z. B. auch bei Verschwägerten, namentlich in dem Berdält= 
nisse zwischen Schwiegersohn und Schwiegereltern der Fall, wie gleichfalls das Obertr. in dem Erk. 
v. 26. Novbr. 1847 (Rechtef. Bd. III, S. 164) folgerichtig ausgesprochen hat. Vergl. den in gleichem Sin# 
entschiedenen Rechtsfall zwischen Verschwägerten in Ulrich, Arch. Bo. IV, S. 61. “ zu er- 
Fe ist, daß ein Erlaß des J. M. vom 18. Januar 1841 (J.M. Bl. S. 56) das Gegentheil be- 
uptet. 
11) Z. B. wenn ein Sohn seinem Vater häusliche Dienste, jedoch nur gegen die mündliche Zu- 
sicherung der künftigen Hosessolge geleistet hat, der Hof aber später einem anderen Sohne übergeden 
wird (Pr. des Odertr. v. 13. Okt. 1838 in Ulrich, Arch. Bd. V. S. 605); oder wenn der Geber 
Schuldner des Empfängers ist. Pr. d. Obertr. v. 27. Sept. 1339 (Schl. Arch. Bd. IV. S. 368) und 
Pr. 2217, v. 7. Juni 1850 (Entsch. Bd. XX, S. 284 und 288). Bergl. auch Erk. v. 24. Sen- 
tember 1852 (Arch. f. Rechtsf. Bd. VI. S. 332). 
(4 A.) Diesen Vorschrifren (ss. 1041— 1045) läßt sich der Fall nicht unterordnen, in weichem 
Jemand die Schuld eines Anderen einseitig aus cigenen Mitreln odne Borbehalt bezahlt. Ein Ge- 
schenk des Zahlers an den Schuldner wird, auch bei einer zwischen Beiden bestehenden, im §. 1041 
bezeichneten, Berwandtschaft resp. Berbindung, durch eine solche Handlung noch nicht existent, verl- 
mehr ist nach §. 45, Tit. 16 das dadurch zwischen diesen Personen entstandene Rechteverdältniß, wenn 
nicht ein der Absicht der Freigebigkeit an sich emgegenstehendes Mandat zur Bezahlung vorliegt. nach 
den Rrgeln von der negotiorum gestio zu beurtheileu; der Zahler hat unmittelbar ex lege (§. 46,