Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Schenkungen. 839 
8. 1043. Ebenso 15) wird bei dem, was einem Armen zu seinem Unterhalte 
gegeben worden, die Absicht solches zu schenken vermuthet. 
§. 1044. Ein Gleiches findet statt, wegen solcher Gelder und Sachen, die an 
Armenanstalten und milde Stiftungen ohne weiteren Vorbehalt abgeliefert worden. 
§. 1045. Was unter Umständen gegeben worden, wo sich gar keine andere Ab- 
sicht des Gebenden denken läßt 14), ist gleichfalls für geschenkt anzusehen. 
§. 1046. Wenn die Gesetze Jemanden zu Handlungen, die an sich eine bloße Shenkungs- 
Freigebigten enthalten würden, in Beziehung auf gewisse Personen oder Verhältnisse Sede 
ausdrücklich verpflichten: so werden die zur nchemn stimmung dieser Pflicht geschlosse 
nen Verträge den lästigen gleich geachtet 15). « 
§. 1047. Wenn also Personen, welche eine andere auszustatten nach den Gese- 
ten schuldig sind, derselben eine gewisse Summe oder Sache zur Ausstattung, oder auch 
zum Brautschatze ausdrücklich versprochen haben, so ist ein darüber in rechtsgültiger 
orm 16) abgefaßter Vertrag für einen lästigen anzusehen. 
Tit. 16) von dem Schuldner Ersatz des statt seiner gezahlten Betrages zu fordern. Erk. des Obertr. 
v. 15. November 1861 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XLIV, S. 87). — Diese Verbindung des Nachsatzes 
mit dem Vordersatze als einer Folge vou Diesem ist unjuristisch. Das Rechtsprinzip der negotiorum 
gestorum actio und das der actio vex lege (§. 46 Tit. 16)“ stehen von einander ganz unabhängig 
neben einander, ohne alle innere Berwandtschaft oder Zusammengehörigkeit. Die actio n. g. ist eine 
ursprüngliche Klage, gleich der actio mandati; die aus 8. 46 a. a. O. zustehende Klage dagegen ist 
eine ced irte Klage, nämlich ebendieselbe, welche dem bezahlten Gläubiger zustand. Vergl. die Anm. 
zu §. 46, Tit. 16. 
12) Die hier bezeichneten besonderen Gesetze sind die §§. 314 ff. a. a. O. 
13) Ebenso, d. h. unter denselben Voraussetzungen. Keinesweges wird durch das „ebenfo“ eine 
Herleitung dieser hier gegründeten Vermuthung aus dem Prinzipe des §. 1041 angedeutet, wie das 
Obertr. in seiner Emsch. Bd. X1, S. 414 meint; vielmehr hat diese Vermuthung einen anderen 
allgemeineren Grund als „eine besondere persönliche Pflicht“. S. o. die Anm. 7. Zwischen 
einem Armen als solchem und Anderen besteht keine beson dere persönliche Pflicht zur Wohlthätig- 
keit, wohl aber die sehr allgemeine religiöse gegen alle Menschen. Auf diese gründet der s. 1043 
eine besondere Vermuthung. Aber die Vermuthung wird ebenso auzgeschlossen wie jene nach F. 1042, 
also z. B. auch durch den Umstand, wenn der Geber der Schuldner des Empfängers ist, daher beie 
dem Berpfleger die Vermuthung nicht eintritt, wenn der Verpflegte eine Forderung an ihn hat, zu- 
mal der Verpflegte, so lange die Forderung nicht konsumirt ist, sich nicht einmal im Zustande der 
Armuth befindet. Pr. des Obertr. vom 2. Juni 1848. (Rechtsf. Bd. IV. S. 121.) — In allen 
Bällen aber ist jede Vermuthung für eine Schenkung ausgeschlossen, wo der Geber civilrechtlich ver- 
unden ist, das Gegebene zu geben. Was also z. B. öffentliche, zur Unterstützung Hülfsbedürftiger 
verpflichtete Anstalten denselben gewähren, ist nicht als geschenkt anzusehen. Pr. des Obertr. v. 5. Sep- 
tember 1845 (Emsch. Bd. XI, S. 410). 
14) Z. B. wenn unter ausgenöthigten Höflichkeitsbezeugungen, aus Gastfreundschaft und auf Ein- 
ladung zu Besuchen oder Genüssen, geghen wird. Ueber einen solchen Fall entscheidet das Erk. des 
Obertr. vom 13. Januar 1838 (Jur. Wochenschr. 1838, S. 729) in Anwendung dieses §S. 1045. 
(4. A.) Ueberhaupt alsdann, wenn die Absicht zu schenken zwar nicht erklärt, aber doch erweis- 
lich vorhanden gewesen ist. Der Beweis der thatsächlich vorhanden gewesenen, wenngleich nicht er- 
klärten Absicht des Gebers, zu schenken, kann auch durch Eideszuschiebung geführt werden. Ueber 
dse Amvedung dich Sätze s. m. das Erk. des Obertr. vom 2. Oktober 1855 (Arch. für Rechtef. 
d. XVIII. S. 171). 
15) Was Jemand zu geben verpflichtet ist, das schenkt er nicht, wenn er es giebt. S. die 
Anm. 13 a. E. Die Widerruflichkeit ist folglich ausgeschlossen. 
16) Diese ist die allgemeine Vertragsform. Daher kann auch derjeuige, der dem anderen Theile 
eine unbewegliche Sache unter der Vereinbarung, daß derselbe eine bestimmte Person heirathe, abge- 
treten hat, diesen Vertrag wegen Mangels der schriftlichen Form nicht mehr anfechten, nachdem der 
Andere die bezeichnete Person wirklich geheirathet hat. Pl.-Beschl. (Pr. 1631) des Obertr. v. 7. No- 
vember 1845. (Emsch. Bd. XII. S. 31.) Bergl. Anm. 18. — (3. A.) Aber ein wesentliches Erfor- 
derniß bleibt unter, allen Umständen, daß „eine gewisse Summe oder Sache“ versprochen worden. 
Deshalb kann derjenige, der mit einem Anderen die Vereinbarung getroffen, dessen Pflegetochter ge- 
gen Zuwendung der Hälfte seines Nachlasses zu heirathen, nachdem er die bezeichnete Person wirk- 
lich geheirathet hat, nicht auf Erfüllung klagen, weil die versprochene Gegenleistung eine unbestimmte, 
selbst eine ungewisse ist, die sogar der Willtür des Verpflichteten, indem dieser es so einrichten kann, 
 
	        
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