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spitze Felskegel haben seine Phantasie nicht wie in der Lausitz erreg
wo ein solches bei Heidersdorf anstehendes Naturgebilde als Keule
eines Riesen gedeutet wird. (Eisel, Sagenbuch des Vogtl., No. 22—25.
Haupt, a. a. O., No 90— 93.)
Die kindlichen Naturmenschen konnten sich entfernte Erschein-
ungen, welche sie am Himmel oder im Luftkreise beobachteten, nur durch
Vergleichung mit näheren bekannten erklären. So war ihnen der Blitz
eine feurige Schlange, im Heulen des Sturmes hörten sie die Stimmen
bekannter Tiere und die Wolken erschienen ihnen als Kühe oder
Ziegen, welche statt der Milch Regen spendeten. Noch jetzt begegnen
wir dieser Vorstellung in einem schwedischen Volksrätsel, dessen Lösung
die Wolke ist: „Eine schwarzrandige Kuh ging über eine pfeilerlose
Brücke, kein Mensch in diesem Lande die Kuh aufhalten kann. (Man-
hardt, a. a. O., S. 89.) Jedoch sah man die Tiere der Erde im
Himmel größer und gewaltiger wieder, und man fing an, diese himm-
lischen Wesen zu fürchten oder fühlte sich veranlaßt, ihnen für ihre
Segensspenden zu danken. Als sich dann der Glaube an menschen-
ähnliche, im Himmel wohnende Götter entwickelte, trat eine Ver-
schmelzung derselben mit jenen himmlischen Tieren ein, indem man
meinte, daß sich Götter selbst in solche Tiere verwandeln könnten, doder
letztere ihnen als ihre Begleiter nahe standen. Später befteten sich
diese Überlieferungen an irdische Tiere und an Menschen, so daß
z. B. aus dem die Blitzschlange bändigenden Sturmgotte Wuotan ein
Mann wurde, welcher eine wunderbare Macht auf wirkliche Schlangen
auszuüben imstande war. In dieser Weise haben wir die Sagen von
dämonischen Tieren aufzufassen. (Grohmann, Sagenbuch von
Böhmen und Mähren, I. S. 216.)
Ein wendischer Aberglaube berichtet, daß jeder Kobold die Ge-
stalt eines Kalbes annehmen könne. (Haupt, Sagenbuch d. L.,
No. 88.) In unseren Sagen ist das gespenstische Kalb Anzeichen eines
Krieges oder es springt des Nachts jemandem, der dann sterben muß,
auf den Rücken und läßt sich forttragen. Zu Mypern wurde ein reicher
Mann, der ein goldenes Kalb anbetete, nach seinem Tode verwünscht,
die Gestalt eines Kalbes anzunehmen, das jedem, dem es begegnet, auf
den Rücken springt. (Nork, Sitten und Gebräuche d. Deutschen, S. 281.)
Das bereits genannte Mittagsgespenst nimmt auch zuweilen Tier-
gestalt an; so erscheint es im Jura unter dem Namen „Stollnwurm“
als Drache. Als Bock sonnt es sich des Mittags am Charfreitage
auf der Ruine Hagberg. In diesen Vorstellungskreis gehört vielleicht
auch der Bock, welcher sich zuweilen des Mittags (aber auch des
Nachts) um 12 Uhr am Bocksloche, einem alten Stollen in Ober-
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