selbe Eiche beschattete sie noch, welche einst ihr Großvater dahin ge
pflanzt hatte. Aber wie sie in die Stube treten wollte, ward sie von
den unbekannten Bewohnern als eine Fremde vor die Thür gewiesen.
Sie lief weinend und klagend im Dorfe umher. Die Leute hielten sie
für wahnwitzig und führten sie vor die Obrigkeit, wo sie verhört und
ihre Sache untersucht wurde. Siehe da, es fand sich in den Gedenk—
und Kirchenbüchern, daß gerade vor hundert Jahren an eben diesem
Tage eine Frau ihres Namens, welche nach dem Forst in die Beeren
gegangen, nicht wieder heimgekehrt sei und auch nicht mehr zu finden
gewesen war. Es war also deutlich erwiesen, daß sie volle hundert
Jahre im Felsen geschlafen hatte und die Zeit über nicht älter gewor-
den war. Sie verlebte nun ihre übrigen Jahre ruhig und sorgenlos
und wurde von der ganzen Gemeinde anständig gepflegt, zum Lohne
für die Zauberei, die sie hatte erdulden müssen.
s 144. Der Zwergtanz im Kupferhügel.
(Friedr. Bernau in der Comotovia, 1877, S. 77.)
Drei Bergleute fuhren einst an, um die Erze aus dem tiefsten
Schachte zu holen. Um jene Zeit waren noch reichhaltige Gruben im
Kupferhügel, vorzüglich auf Kupfer und Eisen, wie es noch die vielen
Schachte und unterirdischen Gänge in demselben beweisen. Fleißig
und frohgemut arbeiteten nun die Bergleute in den Felsen hinein, um
ihn zu zerkleinern und die Erze daraus zu gewinnen. Noch waren
sie nicht mit einer Schicht fertig, als sie plötzlich durch eine liebliche
Musik, die aus dem Innern des Berges zu kommen schien, überrascht
wurden. Alle gerieten in Spannung und Freude. „Wahrhaftig“,
sagten sie zu einander, „eine so schöne Musik haben wir noch nie
gehört, selbst am Prokopitage nicht, wenn wir Schritt für Schritt,
angethan mit unserer festlichen Bergkleidung, die Hacke und die bren-
nende Lampe in der Hand, hinter unserer Bergmusik zur Kirche ziehen!“
Um den Berggeist, wie sie glaubten, in seiner Unterhaltung nicht zu
stören, schickten sich die Bergleute schon an, an den Tag zu fahren,
als sie von der Seite her, von welcher die Musik kam, eine Menge
kleiner Männchen, kaum größer als eine Menschenhand, auf sich zu-
kommen sahen, die mit den verschiedenartigsten Musikinstrumenten
versehen waren. Hinterdrein zog ein munterer Schwarm von Zwergen,
die unter fröhlichem Hüpfen endlich in einem großen Felsengewölbe
Platz nahmen. Bald kamen auch einige Zwerge näher zu den Berg-
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