Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

die Bergleute, da es doch schon Nacht sein mußte, auf die * 
um heimzukehren; um so größer aber war ihr Erstaunen, als sie die 
Sonne im Osten aufgehen sahen und von den Leuten erfuhren, daß 
schon der fünfte Tag verflossen war, seitdem sie in die Grube gestiegen. 
Dennoch glaubte ein jeder von ihnen nur geträumt zu haben; allein 
die großen Goldstücke in ihren Händen überzeugten sie eines anderen. 
Ein jeder von ihnen kaufte sich ein Häuschen und lebte glücklich mit 
seiner Familie. Nur einer wurde stolz und glaubte nicht mehr arbeiten 
zu sollen, wofür ihn, wie der Zwerg gedroht hatte, das Los bitter- 
ster Armut traf; die beiden andern arbeiteten fleißig wie früher und 
erinnerten sich in ihrem Glück oft an den alten grauen Zwerg, den 
Begründer ihres Wohlstandes. Noch heute zeigt man im Kupferhügel 
Spuren jenes Gewölbes und heißt dieselben seit dieser Begebenheit „die 
Zwergkammer.“ 
  
Die Zwerge sind elbische Wesen, welche für sich ein eigenes Reich bilden und 
durch Zufall oder Drang der Umstände bewogen, mit den Menschen, denen sie helfen 
oder schaden können, verkehren; sie sind jedoch meist wohlthätig und hilfreich. Die 
Liebe zur Musik verknüpft sie mit höheren Wesen, besonders mit Halbgöttinnen und 
Göttinnen. Ja eine Stelle in einem mittelhochdeutschen Gedichte: „da sassen 
fideler und videlten alle den albleich“, spricht ihnen die Erfindung einer eigenen 
Weise zu. Neben der Musik liebten die Zwerge besonders den Tanz. Elbe tanzten 
des Nachts im Mondschein, und aus der Erscheinung tanzender Berggeister prophe- 
zeite man ein gesegnetes Jahr. (Grimm, Deutsche Myth., S. 264.) Auch die Ludli, 
die Zwerge der wendischen Sage, waren Spielleute und besuchten als solche und 
manchmal auch als Tänzer die Feste der Menschen, wobei sie Geschenke mitbrachten. 
(Haupt, Sagenbuch 2c. I., No. 43.) 
  
145. Das graue Männlein bei Joachimsthal. 
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 40.) 
Nahe bei Joachimsthal führt der sogenannte „Apostelsteig“ nach 
der „Prokops-Kapelle.“ Ein greiser Mann aus dem Gewerbestande 
erzählte: Mein Vater hat als vierzehnjähriger Junge im Frühjahre 
bei Abenddämmerung ein graues Männlein, nicht länger als sein 
eigener Bart, plötzlich sich breit vor ihn hinstellen gesehen. Kein 
Gebet, aber auch kein Fluch hat das wie im Boden wurzelnde graue 
Männlein verscheucht. Vor Verwirrung griff der Vater zuerst nach 
der Tabaksdose, dann räusperte er sich, betete und weinte, endlich ist 
ihm bei allem Entsetzen das Evangelium Johannes in den Sinn ge- 
fahren, und als er sprach: „Das Wort ist Fleisch geworden“, ist das 
Männlein verblitzt. 
  
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