Das graue Männchen als zwerghaftes Wesen ist der Berggeist; die graue
Farbe ist Erdfarbe.
146. Das graue Männel bei Blauenthal.
(Mündlich.)
Wenn man auf der Straße von Burkhardsgrün nach Blauen—
thal geht, so hat man, ehe die Muldenbrücke erreicht wird, zur linken
Hand einen Waldbezirk, welcher das „graue Männel“ heißt. Dieser
Name soll von folgender Begebenheit herrühren. Einst herrschte in
Blauenthal und Umgegend die Pest. Da waren Holzhauer in dem
genannten Walde, die unterhielten sich beim Vesperbrot und klagten
über das viele Sterben. Auf einmal stand ein graues Männel vor ihnen
das ihnen vorher unbemerkt zugehört hatte; dasselbe sagte:
„Trinkt Bärenwurz und Baldrian,
So kommt ihr alle gut davon!“
In Nordböhmen soll zur Zeit einer großen Pest ein Engel gerufen haben:
„Eßt Bibernell und Baldrian,
So geht euch die Pest nicht an.“
(Grohmann, Aberglauben 2c., S. 92.)
Während einer Pest in Hinterpommern kam eine Taube vom Himmel
und rief:
„Ist die Krankheit noch so schnell,
So braucht geschwind nur Bibernell.“
(Die Natur von Ule und Müller, 1866, No. 2.) Dieselbe Sage findet sich auch im
Spessart. (Henne-Am -Rhyn, a. a. O., S. 305.)
Als nach dem 30jährigen Kriege die Pest im Vogtlande und Erzgebirge
surchtbar wütete, kam von Norden her ein weißer Rabe geflogen, welcher rief:
„Freßt nur recht Napuntika
Sinsten kimmt kä Mensch derva.“
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 628.)
147. Das graue Männchen und die Seuche in Bernsdorf.
(Mündlich. Köhler, Volksbrauch 2c., S. 497.)
In Bernsdorf bei Werdau war eine Seuche, an der viel Men-
schen starben. Des Abends pochte es an die Hausthüre, und so viel-
mal es gepocht hatte, so viel Menschen starben am andern Morgen
in dem Hause. Es war aber ein graues Männchen, das von Haus
zu Haus ging und klopfte. Dasselbe Männchen kam auch zu einem
Manne und dessen Frau und sagte: „Eure Nachbarn werden alle ster-
□r und Ihr sollt die Totengräber machen.“ Am anderen Tage waren
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