Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
183. Buschweibchen in der Umgebung des hohen Steines. 
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 135.) 
Wie im hohen Steine zwischen Graslitz und Markneukirchen 
menschenfreundliche Zwerge wohnten, so hielten sich in den umliegen- 
den Wäldern Buschweibchen auf, welche häufig in die Häuser kamen 
und dort Essen begehrten, wofür sie manch' seltenen, kostbaren Stein, 
manch' heilkräftige Pflanze zurückließen. 
Manche Leute nennen sie auch Moosweibchen, und man schildert 
sie als zwerghafte Gestalten, über und über mit Moos bewachsen 
und Kleider aus Baumrinde und Flechten tragend. Einst bezeigte 
sich ein solches Wesen besonders wohlthätig, wie uns die folgende 
Sage berichtet. 
Zu wiederholten Malen vernahmen Beerweiber und Schwämme- 
sammlerinnen aus einem dichten Gestrüppe in der Nähe des hohen 
Steines heftiges und anhaltendes Niesen; aber keiner von ihnen fiel 
ein, „Helf Gott!“ zu rufen. Wenn sie sich dann auf den Heimweg 
begaben, sahen sie aus dem Gebüsche ein Moosweibchen treten, das 
sich unter schweren Seufzern und traurigen, vorwurfsvollen Blicken ent- 
fernte. Einst aber, als das Niesen denn gar zu laut und häufig erschallte, 
sagte ein Weib: „Nun so helf Gott der Person, welche so heftig da 
drin nieset!“ Augenblicklich stand eine weiße Frau vor ihr und sagte 
freudig: „Du hast mich erlöst, hier empfange Deinen Lohn!“ Mit 
diesen Worten überreichte sie dem armen, erschrockenen Weibe einen 
schweren Moosknollen und verschwand. Der überreichte Knollen aber 
enthielt ein großes Stück Gold, welches das Weib reich machte. 
  
Eine ähnliche Sage aus der Grasschaft Mannsfeld erzählt von einem Görs- 
bacher, welcher am „Wahle“, einem Stück Land, wo jedenfalls früher ein alter Ge- 
richts= und-Opferplatz war, vorüberging und dabei wiederholt jemanden niesen hörte. 
Der Görsbacher rief jedesmal „Gott helf!“, aber kein Dank schallte zurück. Als 
es nun zum dritten Male nieste, sagte der späte Wanderer: „Ei, wenn Du mir 
nicht dankst, so schweig ich auch.“ Da rief es ihm kläglich zu: „Ach, hättest Du mir 
doch nur noch einmal „Gott helf!“ zugerufen, so wiäre ich erlöst gewesen; nun muß 
ich wieder 100 Jahre nach Erlösung schmachten !“ (Größler, Sagen der Grasschaft 
Mannsfeld, No. 221.) 
Ganz ähnlich sind die Sagen vom Spuk am roten Steine bei Oberhof in 
Thüringen, (Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H. No. 7), und von den verfluchten 
Jungfern bei Eisenach und am Falkensteine bei Schmalkalden. (Witzschel, Sagen 
aus Thüringen, No. 113 und 153.) 
Die Sitte, beim Niesen dem Betreffenden „Gott helf!“ oder dem Entsprechen- 
des zuzurufen, reicht jedenfalls bis ins graue Altertum zurück, obschon der Anfang 
dieses Gebrauchs gewöhnlich in das 6. Jahrhundert verlegt wird, als eine Beulen- 
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