Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

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die Redensart haben: „mit der Melusina Salz lecken.“ (Grohmann, Aberglauben 
und Gebräuche 2c., S. 3 und 234.) - 
In den Niederlanden sagt man von dem Wirbelwinde, er sei die „fahrende 
Frau“ oder „fahrende Mutter“, und nach einem Glauben in Westflandern hält die 
von ihren Ältern verwünschte Königstochter Alvina im heulenden Sturmwinde ihre 
Umfahrt und weint. 
Wenn man im Anfange den Wind mit einem heulenden und gefräßigen 
Tiere verglichen hat, das alles, was in seinen Weg tritt, vernichtet, so lag dann 
der allmähliche übergang dieser Vorstellung in diejenige von einem Geiste, der hung- 
rig im Winde dahinfährt, nahe. In manchen Gegenden Baierns findet sich der 
Gebrauch, bei heftigem Sturme einen Mehlsack zum Fenster hinaus für den Wind 
und sein Kind auszuschlitten, wobei man spricht: „Nimm das, lieber Wind, koch' 
ein Mus für Dein Kind!“ In diesem Gebrauche zeigt sich eine große Übereinstimm- 
ung mit demjenigen in Bäringen, wo die Speisereste aus dem Tischtuche für die 
im Sturmwinde klagende Melusina ausgeschüttet werden. Der Gebrauch, dem Wind 
Mehl zu streuen, scheint auch in den deutschen Alpen vorhanden zu sein; wenigstens 
findet sich bei Rosegger (die Schriften des Waldschulmeisters, 3. Aufl. S. 170) 
folgende Stelle: „Sie (die Waldlente in den Winkeln) streuen Mehl in den Wind, 
um dräuende Stürme zu sättigen — so wie die Alten den Göttern haben geopfert.“ 
In anderen Gegenden nehmen die Landleute, wenn der Wind 12 Tage vor Weih- 
nachten am ärgsten tobt, Apfel und Nüsse und werfen sie in den Ofen, indem sie 
sagen, daß sie das der „Windsbraut“ zum Essen geben. (Henne-Am-Rhyn, a. a. 
O., S. 55.) 
Wie aber ist zu erklären, daß der Sturm Melusinas Klage um ihre Kinder 
genannt wird? Als nach der Erzählung Gustav Schwabs (Deutsche Volksbücher, 
3. B.) die Brunnennymphe Melusina von ihrem Gemahle Raimund Abschied ge- 
nommen und sich, halb zur greulichen Schlange verwandelt, zum Fenster hinaus- 
geschwungen hatte, hörte man dreimal um das Schloß lautes Nauschen und ein 
Klaggeschrei; zur Nachtzeit aber sah die Amme der beiden kleinen Söhne Melusinas, 
wie letztere in gespenstischer Gestalt wiederkehrte und die Kinder aus der Wiege nahm 
und säugte, so daß dieselben zusehends gediehen. 
202. Vom thörichten See bei Satzung. 
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz. 1699, S. 205. 2c.) 
Der thörichte See, eine halbe Meile über Satzung an einem 
wilden, mit jungen Kiefern bewachsenen rauhen Orte, ist ins Gevierte 
30 Schritte breit und lang, der Pfuhl ist mit rotem Moos bewachsen, 
und das Wasser gehet einer Elle hoch darüber ohne Abfluß. Der See 
soll unergründlich sein, und niemand machet sich gern allein an den 
Ort, weil die Leute, welche sich im 30jährigen Kriege dorthin geflüch- 
tet, daselbst viel Anfechtung gehabt haben. Es ist umher auf eine 
halbe Meile lang nichts als eitel sumpfiges Land, daß auch kein rechter 
Baum darauf wachsen kann, es verwimmert und verbuttet alles. In- 
sonderheit erzählen die Umherwohnenden, daß sich bisweilen viel un- 
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