Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
die auf den Gräbern gestanden, erzählten, daß sie gehört, wie 55 
Toten unter der Erde schmatzten. Deswegen hat man den Verstorbe- 
nen die Köpfe mit einem Grabscheite abgestoßen oder sie ganz verbrannt 
und dabei gemeint, so das Unheil und Sterben abzuwenden. Es hat 
aber nichts geholfen, denn die Pest hat als Strafe Gottes noch hef- 
tiger überhand genommen, so daß einzelne Dörfer fast ausstarben. 
Das Schmatzen der Toten in den Gräbern ist nur eine besondere Form des be- 
sonders im Aberglauben slavischer Völker herrschenden Vampyrismus. Der Vampyr wird 
meist als die Seele eines Verstorbenen gedacht, welcher im Grabe keine Ruhe findet, 
letzteres verläßt und sich auf schlafende Menschen, besonders Blutsverwandte legt und 
ihnen auf körperlich kaum wahrnehmbare Weise das Blut aussaugt. Nach der Lau- 
sitzer Sage wird ein solcher Vampyr gebannt, wenn ein Priester den Leichnam aus- 
graben läßt, ihm den Kopf abschneidet, das Herz mit einem Pfahl durchsticht, selbiges 
sodann verbrennt und die Asche auf das Grab streut. (Haupt, Sagenbuch d. L., 
No. 69.) Der Pfahl mußte bei den Slaven von Eichenholz oder vom Weißdorn 
sein. (Grohmann, Aberglauben und Gebräuche in Böhmen, S. 91.) 
Nach Görres ist der Vampyrismus, welcher sich bereits bei den alten Griechen 
vorfand, nur eine besondere Form des Alpdrückens. (Nork, Sitten und Gebräuche 
2c., S. 686.) Er beruht auf dem Glauben, daß der Verstorbene des Blutes entbehrt 
und darum sein Grab verläßt, um einem noch Lebenden Blut auszusangen. (Roch- 
holz, Deutscher Glaube und Brauch I., S. 55.) 
268. Von einem an eine Stelle festgebannten Sohne. 
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II., S. 221. Br. Grimm, 
Deutsche Sagen I., No. 231. 
Als ein Bürger zu Freiberg, namens Lorenz Richter und seines 
Handwerks ein Leinweber, welcher auf der Weingasse gewohnet, seinem 
Sohne von 14 Jahren etwas zu thun befohlen und derselbe nicht ge- 
horcht, sondern in der Stube an derselben Stelle stehen geblieben, hat 
ihn der zornige Vater verwünscht und gesagt: „Ei stehe, daß Du 
nimmermehr könntest fortgehen!“ Auf diese Verwünschung des Vaters 
ist der Knabe stehen geblieben, und er hat drei ganze Jahre an der- 
selben Stelle gestanden, so daß er tiefe Gruben in die Dielen getreten, 
und man ihm des Nachts, wenn er schlafen wollte, ein Pult unter- 
setzte, damit er den Kopf und die Arme darauf legen konnte, um ein 
wenig zu ruhen. Weil er aber nahe an der Stubenthüre beim Ofen 
den eintretenden Leuten im Anlaufe war, haben ihn die Geistlichen der 
Stadt durch ihr Gebet von diesem Orte aufgehoben und gegenüber in 
den andern Winkel der Stube glücklich und ohne Schaden gebracht. 
* diesem Orte hat er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und die 
  
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