o5 ½
1
l
Bin Volksglaube, welchen Veckenstedt in den „Wendischen Sagen,
Märchen und abergläubischen Gebräuchen“ (Graz, 1880) an die
Spitze seiner Schatzsagen stellt, erzählt uns, daß da, wo des Nachts
um 12 Uhr kleine Flämmchen auf der Erde herumflackern, Geld
brenne; man müsse dann ein Geldstück oder ein Messer hineinwerfen,
um den Schatz zu erlangen; derselbe werde jedoch von wilden Hunden
oder anderen Tieren bewacht. In dieser kurzen Sage ist der wesent—
lichste Inhalt aller Sagen niedergelegt, welche uns erzählen, wo sich
jene mythischen Schätze finden, die Henne-Am-Rhyn (Die deutsche
Volkssage ꝛc., S. 48) als niedergegangene Sterne des Himmels oder
als Morgen= und Abendröte deutet, und die wieder von anderen, z. B.
von Nork in seinen „Sitten und Gebräuchen der Deutschen“ zu den
Münzen in Beziehung gebracht werden, welche von den heidnischen
Germanen und Slaven ihren Toten mit ins Grab gegeben wurden.
Es wird uns aber auch in jener kurzen lausitzischen Sage mitgeteilt,
wie diese Schätze zu heben sind und welche Mächte dieselben gegen das
Eindringen der Sterblichen bewachen. Derselbe Sagenstoff wiederholt
sich in mannigfachen Abänderungen an zahlreichen Ortlichkeiten. Auch
im Erzgebirge zeigen blaue Flämmchen oder Lichter Schätze an, bei
deren Heben kein Wort gesprochen werden darf. Nach Jacob Grimm
(Deutsche Myth., S. 544) wird auch ein auf bloßem Leibe getragenes
Kleidungsstück (nach einer unserer Sagen kann dies z. B. ein Hals-
tuch sein) auf den Schatz geworfen, um alle Gefahr von sich abzu-
wehren.
Zahlreich sind ferner im Erzgebirge wie anderwärts die Sagen,
nach denen unermeßliche Schätze in weiten Gewölben in Braupfannen
oder Laden liegen. Die Pforten zu diesen Höhlen öffnen sich nur an
bestimmten Tagen zu gewissen Stunden, und wenn die Glücklichen in
die Schatzkammern eintreten, so finden sie die Schätze entweder von
Hunden oder grauen Männchen, Kobolden oder Schattenmännchen be-
wacht. Bei den Schätzen ist gewöhnlich eine weiße Jungfrau, teil-
weise mit einem Schlüsselbunde. Nicht selten sind es auch Wunder-
blumen, welche die Pforten zu den Geldgewölben öffnen, und die von
□— —
233