Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
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aum hatte sie diese voll, da erschien ein Zwerg, der sie zum schleunigen 
Fortgehen aufforderte. Erschrocken lief sie dem Ausgange zu uud ver— 
gaß in der Angst ihres Kindes, dessen sie sich erst im Freien erinnerte. 
Wohl kehrte das bestürzte Weib ungesäumt und rasch zur Offnung zu— 
rück, allein unter Krachen hatte sich der Felsen geschlossen. Wie sehr 
auch die trostlose Mutter weinte und um den Verlust ihres Kindes 
jammerte, der Eingang war und blieb unsichtbar. Fast verzweifelnd 
und die in ihrer Schürze befindlichen Schätze verwünschend, mußte sie 
endlich nach Hause wanken. In ihrem unbeschreiblichen Schmerze wandte 
sie sich an den Geistlichen in Platten, der sie nicht nur tröstete, sondern 
ihr auch den Rat erteilte, im nächsten Jahre zu gleicher Stunde wieder 
zum Heinrichstein zu gehen. Lange, sehr lange dauerte diesmal der 
schwergeprüften, sorgenvollen Mutter das Jahr, bis endlich der heiß- 
ersehnte Karfreitag erschien. Da ging sie, fest auf den Heiland ver— 
trauend, der an diesem Tage für die Menschen den Kreuzestod litt, 
wieder zum Felsen. Und siehe da! Die Thür stand wie vor Jahres— 
frist offen. Mit unaussprechlicher Freude stürzte das Weib in das 
Gewölbe und erblickte auf dem Tische ihr mittlerweile herangewachsenes 
Kind frisch und gesund, einen schönen Apfel in den Händchen haltend. 
Seelenfroh nahm sie dasselbe, drückte es an ihr Herz und eilte, so schnell 
sie die Füße tragen konnten, aus dem Felsen. Die daselbst aufgespeicher- 
ten blendenden Schätzen übten diesmal keine Zauberkraft auf die Mutter 
aus, der ihr gefundenes Kind mehr galt als alle Reichtümer der Erde. 
Ein andermal erblickte ein armer, tugendhafter Mann aus Platten, 
der einstmals in dem Walde beim Heinrichstein Holz sammelte, ganz 
unerwartet vor sich ein Licht, das sich am Boden fortbewegte. Er 
ging ihm nach und gewahrte eine große, offene Truhe aus Eisen, in 
welcher Gold= und Silbermünzen aller Art angehäuft waren. Da er 
mit den Händen die Lade nicht fortzuschaffen im stande war, zog er 
den Schlüssel ab, deckte, damit niemand anders den Schatz finde, den- 
selben mit Reisig zu und eilte beflügelten Schrittes heim, um einen 
Schiebkarren zu holen. Als der Mann an Ort und Stelle zurückge- 
kehrt war, fand er zwar das Reisig, aber zu seiner Bestürzung war 
die Geldtruhe spurlos verschwunden. Hätte er, statt die Lade mit Reisig 
zu bedecken, ein Halstuch auf den Schatz geworfen, so wäre dieser ge- 
bannt gewesen. 
Schon mancher, der den Schatz heben wollte, wurde von der wilden 
Jagd arg bestraft, welche um den Heinrichstein ihr Unwesen treibt. 
Der Vorwitzige verfiel in eine schwere Krankheit oder starb sogar an 
den Folgen des Schreckens. Die wilde Jagd sollen Reiter sein, welche 
in der Luft dahin brausen. Viele Holzleute wollen in der Nähe des 
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