Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
an Kirchlein die Taufe empfangen sollte. Zwar hatte der Zufall 5 
Gelegenheit hierzu einigemale geboten, aber die Scheu vor ihnen war so 
groß, daß man bei ihrem Erscheinen stets zur Seite wich und schon 
aus der Ferne den Versuch einer Annäherung zu hindern suchte. Da 
gewahrte einst in einer Nacht die jüngste der Schwestern in der Gegend, 
wo, umgeben vom dichten Wald, eines Köhlers Hütte stand, noch belles 
Licht; von dem Wahrgenommenen unterrichtet, schlichen alle drei, be- 
gleitet von ihren zwei treuen Knechten, bis zur Hütte und bemerkten, 
daß des Köhlers Weib ein Kind geboren hatte. Sogleich stand der 
Entschluß in ihnen fest, dem Kinde, wenn es zur Taufe getragen 
würde, zu nahen und dessen Begleitung um die Erfüllung ihres Wun- 
sches anzugehen. — Es währte auch nur kurze Zeit, als spät an einem 
Nachmittage der Köhler in Gesellschaft weniger Personen auf dem 
schmalen Pfade daher geschritten kam, um seinen Neugebornen nach 
St. Margarethen zur Taufe zu bringen. Alsogleich trat die älteste der 
Schwestern an ihn heran und sprach: „Lieber, laß mich Dein Kind 
sehen und herzen, Du sollst dafür auch diesen schönen glänzenden Stein 
haben, sieh' nur, wie er in der Sonne blitzt und funkelt.“ Doch der 
Angeredete wandte sich ab und entgegnete: „Ich begehre weder Deinen 
Stein, noch sollst Du mein Kind sehen; halte mich nicht auf und laß 
mich weiter gehen.“ Eine Strecke weiter kam die zweite Schwester und 
redete: „Lieber, sieh' dieses Goldstück, es soll Dir gehören, sobald Du 
mir erlaubst, Dein Kind einen Augenblick auf meinen Armen wiegen 
zu dürfen.“ „Nein,“ rief unwillig der Köhler, „Deines Goldstücks wegen 
gebe ich den Kleinen nicht aus meinen Händen; blicke nur empor, welch 
schweres Wetter am Himmel dräuet, ich will eilen, weiche zur Seite.“ 
Abermals einen Steinwurf weiter kam die dritte Schwester dem Tauf- 
zuge entgegen. „Ei, lieber Köhler,“ begann sie im muntern Ton, 
„Freya, die liebreiche, hat Dir ein Kind beschert, welches Du ohne 
Zweifel jetzt zur Taufe trägst; hier nimm diesen Wickel Flachs als 
Taufgeschenk, er soll Deinem Kinde Segen bringen, doch erlaube 
mir, den Kleinen auf einen Augenblick zu sehen.“ Da reichte der Vater 
dem Mädchen, weil es gar so herzlich bat, das Kind und dieses drückte 
rasch einen warmen Kuß auf dessen Lippen. Noch redeten beide mit- 
einander, als das Glöcklein von der Kapelle eifrig mahnte, das Ge- 
spräch einzustellen. Uber den brausenden Bach auf schwankendem Steg 
eilte der Köhler hinauf zur Kapelle, die Jungfrau aber raschen Laufes 
zu den in banger Erwartung harrenden Schwestern. Wie fröhlich 
lenkten diese jetzt ihre Schritte dem Hofe zu, wie glücklich saßen sie 
nachdem der jüngsten die Ausführung des längst gehegten Vorhabens 
1. war, dort beisammen! Die That, einst als Erfordernis be- 
– 
  
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