Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

2 — — —— —½14 — 
Macht der Slaven völlig gebrochen war. Der Tributpflichtigkeit zu 5 
gehen, festhaltend an dem Glauben ihrer VBäter, erfüllt mit tiefem 
Haß gegen die christliche Geistlichkeit, welche von ihren Einkünften an 
Getreide und Vieh, Leinwand, Honig und Wachs den zehnten Teil 
forderte, zogen sich nun nach den für ihr Volk unglücklichen Kämpfen 
zahlreiche sorbische Familien in das unfreundliche und von wilden Tieren 
bevölkerte, aber ihnen doch Freiheit und Sicherheit gegen ihre Besieger 
verheißende Erzgebirge zurück, und so wurden bereits gegen Ende des 
10. Jahrhunderts von diesen flavischen Einwanderern daselbst einzelne 
feste Niederlassungen gegründet. Immer höher stiegen sie, vorzugs- 
weise wohl in den Thälern und so dem Laufe der Gewässer entgegen, 
auf der nordwestlichen Senkung des Gebirges bis ungefähr zur Linie 
Eibenstock-Schlettau-Zöblitz-Sayda auf. Erst vom 12. Jahrhundert an, 
da das Gebirge durch die Entdeckung reicher Silbererze zum Erzgebirge 
wurde, drangen auch die Deutschen zahlreicher vor, gründeten Städte 
und Dörfer, und das germanische Element verschlang sehr bald die 
slavischen Reste, wo sich dieselben bis dahin noch in einiger Selbst- 
ständigkeit erhalten hatten. Wohl erhielt sich noch, wenigstens am 
Fuße des eigentlichen Gebirges, ihre Sprache, denn im Jahre 1327 
wurde der Gebrauch derselben bei den Zwickauer Gerichten und in 
Meißen sogar erst 1424 verboten (Rich. Andree, Wendische Wander- 
studien, S. 143.); jedoch auch in den höher gelegenen slavischen An- 
siedelungen wird die Muttersprache nach Berührung mit den später 
vorgedrungenen Deutschen nicht sobald erloschen sein, da viele flavische 
Worte, die selbst in der Gegenwart nicht verschwunden sind, von den 
Deutschen festgehalten wurden. 
Wenn wir nun vom Erzgebirge übereinstimmend mit dem Vogt- 
lande und der Lausitz wissen, daß sich germanische und slavische Be- 
wohner in die Kultur des Bodens teilten, daß demnach von beiden 
Volksstämmen mythische Sagen in das Gebirge verpflanzt und im Laufe 
der Jahrhunderte von den nachfolgenden Generationen, wenn auch 
vielfach umgewandelt, festgehalten wurden, so mögen doch die verhält- 
nismäßig spät und nur sporadisch gegründeten Niederlassungen eine Ur- 
sache davon sein, daß wir solche Sagen, denen eine naturreligiöse 
Bedeutung innewohnt, in unserm Gebirge sparsamer, als in den vor- 
hingenannten Provinzen mit dem Volksleben verwachsen finden. Be- 
sonders sparsam sind die eigentlichen Göttersagen, welche uns heidnische 
Gottheiten mit ihren Namen vorführen, oder welche früher geheiligte 
Plätze durch die ihnen innewohnende Poesie gleichsam erklären. Wo 
uns einige deutsche Göttergestalten entgegentreten, da sind dieselben 
jedenfalls durch spätere Einwanderer in unser Gebirge verpflanzt und 
– 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.