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Ein solches Brot wurde auch nach Freiberg gebracht und auf's Rat—
haus geliefert; es schmeckte gar süßlich und roch ein wenig nach Brot.
Nach einer andern Volkssage hackte im Jahre 1590, da große Teurung
war, ein frommer Mann aus Freiberg ohnweit der Stadt in einer
Lehmgrube. Er hatte daheim eine zahlreiche Familie hungrig verlassen
und gedachte mit Thränen, wie unzureichend das Brot sein würde,
welches er für die wenigen Pfennige Tagelohn am Abend würde kaufen
können. „Ach Gott!“ rief er, die nassen Augen zum Himmel gewendet,
„du kannst Großes thun, o gieb mir und den Meinen, daß wir nicht
verhungern dürfen!“ Da fielen plötzlich große Stücke einer schönen
weißen Masse unter den Schlägen seiner Hacke aus der Lehmwand
hervor. Wie erstaunte der gute Mann, als er sie genauer betrachtete
und sah, daß sie beim Angreifen zu Mehl wurden, welches gutem Brot—
mehl an Ansehen, Gewicht und Geschmack ganz gleich war. Nicht
länger zweifelte er, daß Gott durch diese seltene Masse ihm wunderbar
helfen wolle, lud ohne Säumen seinen Schiebkarren voll solcher Mehl-
klumpen und fuhr damit nach Hause. Ehe der Abend kam, hatte er
eine ziemliche Anzahl Brote daraus gebacken, welche sehr schmackhaft
waren und wie Veilchenwurzel dufteten. Bald wurde die Mähr von
dem wunderbaren Mehle bekannt und noch viele arme Leute in Frei-
berg und der Umgebung suchten in den Lehmgruben nach der belobten
weißen Masse, welche sie auch fanden und zu Brot backen und genießen
konnten, nämlich, wenn sie fromm und gut waren. Denn nur wenn
arme rechtschaffene und gottesfürchtige Leute das Mehl als eine Gabe
Gottes ausgruben und mit Danksagung verbrauchten, blieb es gutes
und brauchbares Mehl; wenn es aber Spötter und Gottlose in die
Hände nahmen, ward es zu Sand und zu Stein.
435. Gottes-Speise bei Zwickau.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, Nr. 49. Nach Luthers Tisch-
reden bei den Br. Grimm, Deutsche Sagen I., Nr. 362.)
Bei Zwickau auf einem Dorfe schickten einst Eltern ihren Sohn,
einen muntern Knaben, in den Wald, die Ochsen, welche da auf der
Weide waren, heimzutreiben. Aber die Nacht überraschte den Knaben
und es erhob sich ein solch mörderisches Schneewetter, daß er nicht aus
dem Walde zu kommen wußte. Als nun der Knabe am andern Tage
immer noch nicht nach Hause kam, gerieten seine Eltern in große Angst
und konnten doch vor dem großen Schnee nicht in den Wald. Am
dritten Tage erst, nachdem der Schnee zum Teil abgeflossen, gingen sie 3
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