Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
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465. Der Köhler von Klingenthal. 
(Metrisch von Hager, Vogtl. Volkssagen, 1839, II., S. 13. Darnach 
bei Gräße a. a. O., Nr. 640.) 
Vom Kirchhofe zu Klingenthal bis an den naheliegenden Wald 
geht jede Nacht um die zwölfte Stunde ein gespenstiger Schatten, eine 
Leuchte in der Hand. Das Volk erzählt sich hierüber folgende Ge- 
schichte: Es soll einst in Klingenthal ein Köhler gewohnt haben, der 
jede Nacht von der Seite seiner getreuen Hausfrau aufstand, um an- 
geblich im Walde nach seinem Meiler zu sehen. Die wahre Ursache 
war aber, daß er im Busche zu einer dort wohnenden Concubine 
schlich. Einst ging er auch in finsterer Nacht, die Leuchte in der Hand, 
den wohlbekannten Weg, da folgte ihm sein Weib, das er schlafend 
glaubte, und warf ihm geradezu sein Vergehen vor. Er wollte es 
zwar anfangs leugnen, aber bald gab ein Wort das andere, er ward 
heftig, schlug seine rechtschaffene Frau nieder und begab sich zu seinem 
Kebsweibe. Als er mit diesem im besten Kosen begriffen war, öffnete 
sich plötzlich die Thür und sein Weib stürzte herein und traf die 
Schuldigen auf offner That. Jetzt halfen keine Verstellungen mehr, er 
mißhandelte sie abermals und warf sie zur Thür hinaus mit der 
Drohung, sie in den brennenden Meiler zu schleudern, wenn sie ihm 
wieder zu nahe komme. Sie aber verfluchte ihn und rief: „Der Meiler 
werde Dir selbst zum Grab, mögest Du lebendig verbrennen!“ Des 
lachte der Köhler; als er aber nach seiner Gewohnheit den Meiler er- 
klomm, um sich umzuschauen, stürzte dieser plötzlich zusammen und der 
Frevler versank in seinen feurigen Schlund. 
466. Vom flinken Knecht zu Rechenberg. 
(Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J., S. 289.) 
An der südlichen Grenze des meißnischen Erzgebirges lebte vor 
alter Zeit ein wohledler Ritter, mit Namen Kurt von Rechenberg, auf 
seinem Stammschlosse Rechenberg an der Mulde, von welchem sich noch 
jetzt Ruinen auf einem Felskegel am rechten Thalgehänge inmitten des 
freundlichen Fleckens Rechenberg vorfinden. 
Hochbegütert und vom Glanze einer zahlreichen Dienerschaft um- 
geben, lebte der fromme Edelmann gar glückliche Tage dahin. Seine 
Diener hielt er gleich eigenen Kindern wert, und er wurde darum von 
allen auch wieder geliebt wie ein Vater. 
Da geschah es eines Tages, daß ein junger, dürftig gekleideter 
b aus fremden Landen zum Ritter kam und ihm seine Dienste 
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