Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
16. Der wilde Jäger bei Schönlinde. 
(Grohmann, Sagenbuch von Böhmen und Mähren, I. S. 78.) 
Auch bei Schönlinde läßt sich zuweilen der wilde Jäger sehen; 
man nennt ihn dort Banditterch (Berndietrich). Er soll daselbst in den 
Schweinsgründen und in Budersdorf mit hölzernen Hunden herumjagen. 
Die hölzernen Hunde sind jedenfalls gleichbedeutend mit Holzhunden, wie man 
in Norddeutschland die Wölfe heißt; der wilde Jäger jagt also nach dieser Sage 
mit Wölfen. Die Wölfe aber, welche schon in der Edda Hunde genannt werden, 
sind Lieblingstiere Wuotans. 
  
17. Der wilde Jäger bei Neustadt. 
(Köhler, Volksbrauch 2c. im Vogtlande, S. 509.) 
Noch im vorigen Jahrhunderte hatte der wilde Jäger sein Revier 
in der Gegend von Neustadt bei Falkenstein. Da zog er des Nachts 
in der Luft mit seinen Hunden oft über Neustadt hinweg und ließ sein 
„Hoho!“ hören. Einmal sah ein dortiger Bauer zum Fenster hinaus, 
als der wilde Jäger in der Luft hinzog, und er äffte das „Hoho!“ nach. 
Am nächsten Morgen fand der Bauer auf seinem Fensterstocke draußen 
einen toten, übelriechenden Hasen. Er verscharrte ihn in seinen 
Düngerhaufen, aber am nächsten Morgen lag er doch wieder auf dem- 
selben Fensterstocke. Er verscharrte ihn zum zweiten und dritten Male, 
aber der Hase lag am nächsten Morgen immer wieder auf dem alten 
Platze. Auf den Rat anderer Leute vergrub ihn der Bauer endlich 
unter gewissen Förmlichkeiten auf einem Kreuzwege, und der ihm vom 
wilden Jäger zugedachte Braten kam nimmer wieder. 
Wir finden im Erzgebirge für die Züge des wilden Jägers oder Wuotans 
sowohl die Bezeichnung „wilde Jagd“, als auch wütendes Heer.“ Unser Gebirge 
bildet die Grenzscheide zwischen Nord= und Süddeutschland, und daher vermengen 
sich hier beide Namen, von denen der eine (wilde Jagd) vorzugsweise Nord-, der 
andere (wütendes Heer) aber Süddeutschland angehört. Wuotan ist übrigens in seinem 
Namen, welcher den „stürmisch Schreitenden“ bedeutet, mit dem Worte „Wut“ ver- 
wandt. 
Die Sagen von dem wilden Jäger lassen uns Umschreibungen von Natur- 
vorgängen erkennen. Der Sturmgott Wuotan ist der Sturm selbst; sein Roß, Hut 
und wallender Mantel sind die Wolken, Wolken sind ursprünglich vielleicht auch die 
von ihm gejagten Frauen. (S. die Sagen von den Holzweibchen.) 
Der Hase ist ein gespenstisches oder teuflisches Tier; in der Lausitz glaubt man, 
daß die Hexen zuweilen in der Gestalt von Hasen durch das Dorf laufen. Der 
Hase war den Asen geweiht. Das Hinwerfen eines Hasen durch den wilden Jäger 
hat also eine mythische Bedeutung, ebenso wenn anderwärts ähnliche Sagen erzählen, 
daß der wilde Jäger dem Rufenden ein Pferdeviertel zugeworfen habe. In ketztge- 
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