lich ein altes Weib, das unvermerkt mit in die Kirche gekommen war.
Er fragte die Alte, was sie wohl in ihrem Korbe habe. „Ein Säck-
chen mit Linsen“, entgegnete diese. „Weib,“ rief der Pfarrer, Ihr seid
mir von Gott gesandt; überlaßt mir die Linsen, sie sollen Euch gut
bezahlt werden!“ Das Weib war einverstanden, und der Priester händigte
die Linsen seinem Beichtkinde ein mit der Weisung, auf dem Heimwege
von Zeit zu Zeit heimlich einige Linsen fallen zu lassen; er werde dann
dafür sorgen, daß ihr Aufenthaltsort entdeckt werde. Dann entließ er
das Fräulein, welches nun mit seinen bewaffneten Begleitern wieder
zu Pferde stieg und den Rückweg antrat. Der Geistliche aber gab einem
zuverlässigen Manne den Auftrag, dem Zuge sofort unvermerkt zu folgen,
hie und da am Boden zerstreute Linsen würden ihm im Walde den
Weg zeigen. So wurde das Raubschloß entdeckt. Dem Grafen von
Rothenhaus aber brachte man sofort die Nachricht hiervon, und noch
an demselben Abende stand er mit seinen Mannen vor der Feste des
Raubritters und verlangte die Auslieferung seiner Tochter. Diese er-
folgte aber nicht; man rüstete sich vielmehr in der Burg zur Verteidig-
ung. Nun umschlossen die von Rothenhaus die Burg und trafen An-
stalten zum Sturme auf dieselbe. Am frühen Morgen des nächsten
Tages begann man auch sofort den Angriff, und trotz der verzweifelten
Gegenwehr der Belagerten hatten die Angreifer bald vom Bergrücken
her den Wall und Graben überschritten und begannen die Mauern zu
ersteigen. Da versuchte der jugendliche Ritter vom Neustein ein letztes
Mittel, die Feinde vom weitern Vordringen abzuhalten. Er schleppte
das geraubte Fräulein auf den Wartturm und drohte dasselbe in die
Tiefe zu stürzen. Da trat aber die alte Wärterin heran, welche allein
im Schlosse seine wahre Abkunft kannte, und teilte ihm mit, daß er
eben im Begriffe stehe, seine Schwester zu ermorden. Jetzt erfaßte
Verzweiflung den Ritter; er bestieg sein Pferd, ritt auf die Burgmauer,
gab dem Tiere die Sporen und stürzte mit ihm in die gewaltige Tiefe.
Die Felsenburg wurde nun vollends eingenommen und zerstört. Groß
war aber die Trauer zu Rothenhaus, als man erfuhr, wer der ge-
wesen, der die Tochter des Grafen geraubt hatte. Der Leichnam des
Ritters wurde feierlich in der Familiengruft der Rothenhauser beigesetzt.
739. Das alte Schloß Mulda.
(Mündlich.)
Oberhalb des Ortes Mulda bei Freiberg zeigt man am linken
Muldenufer in der sogenannten „Grüne“ einen Platz, auf welchem
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