5
auf die Fluren und besuchte mit ihr die Ansiedelungen im Burgbanne.
Oft ruhten sie auf einer Waldwiese unter einer riesigen Eiche und
lauschten am Morgen dem Gesange der Waldvöglein. Als sie einmal
wieder so saßen, trat plötzlich aus dem dichten Gebüsch ein schöner
ritterlicher Jüngling. Guta war anfangs recht erschrocken, doch konnte
man dem Fremdlinge, welcher die edelsten Sitten zeigte, nicht gram
sein. Es war ein fahrender Ritter aus dem Meißnerlande, welcher
in der Gegend Gastfreundschaft gesucht und gefunden hatte und den
der Zufall auf einer seiner Wanderungen dem Priester und Guta ent—
gegenführte. Nach mehreren Tagen traf der Ritter mit ihnen an der—
selben Stelle wieder zusammen, und dann noch öfter und öfter. Der
Priester war kein strenger Wächter, und so kam es, daß die Herzen
der jungen Leute sich fanden und der Ritter die Jungfrau um Erlaub—
nis bat, ihr sein Leben weihen zu dürfen. Nach der Rückkehr ihres
Vaters wollte er um ihre Hand anhalten, denn Guta war es unbe—
kannt geblieben, aus welchem Grunde ihr Vater nach Regensburg ab—
gereist war. Bald kam aber von dorther die Botschaft an den Kaplan,
daß der Burgherr bald zurückkehren und den für seine Tochter erkore—
nen Bräutigam sogleich mitbringen werde. Als dies Guta hörte,
stürzte sie fassungslos ihrem Erzieher zu Füßen und entdeckte ihm ihr
Geheimnis. Dieser erschrak heftig, denn er kannte die unbeugsame
Strenge Emerichs und dachte an das offene Grab in der Schloßmauer.
Freilich fühlte er sich selbst auch nicht von Schuld frei, und nach
reiflicher Überlegung glaubte er ein Mittel gefunden zu haben, um
der ersten Heftigkeit des heimkehrenden Burgherrn zu begegnen. Zu
Seelau im St. Magdalenenkloster, von dem heute kein Stein mehr
auf dem andern ist, da hat Schön-Guta Aufnahme gefunden; und
auch der meißnische Ritter ward in die Verbannung geschickt, er ging
zu den Benediktinern nach Klösterle. So blieb nur der greise Priester
zurück und derselbe wollte dem Ausbruche des Zornes standhalten.
Als der Schloßherr kam, gestand der Kaplan alles. In wildem
Grimme vergriff sich der Ritter an ihm, würgte den schwachen Priester
und stieß ihn über die steile Treppe hinab, so daß der Arme die
Steinvließe drunten mit seinem Blute färbte und seine Seele aus-
hauchte. Nun erst kam der Ritter zur Besinnung und dachte besonders
an die Verfolgung, welche die mächtige Geistlichkeit gegen ihn einleiten
würde, wenn sie Kenntnis von diesem Morde erhielte. Deshalb suchte
er eilig die Spuren des Verbrechens zu beseitigen. Er erinnerte sich
der Mauernische, die er einst für eine ehrenvergessene Schloßbewohnerin
hatte herrichten lassen. Wie fürchterlich hatte nun das Geschick ent-
□ Seine eigene Tochter war zum Opfer geworden, sie hätte er
566