Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
wohnung zu Olbernhau kam, wo ihn sein Weg nach Hause 9*. 
gingen drei Männer geschwind und ohne Gruß vorüber, worüber er sich 
verwunderte, weil er sie für Blumenauer ansah. Als er ein wenig 
fortreitet, kommen ihm auf dem Wege vier verschleierte Weiber entgegen, 
welche eine Totenbahre mit einem Sarge und Leichentuch tragen. Da— 
rüber erschrickt er und weiß nicht, wo er ist; bald dünkt ihm, er reite 
durch ein groß Wasser, bald scheint es ihm, als müsse er einen hohen 
Berg hinan reiten, bis es ein wenig licht wird und er sich bekennet, 
daß er auf dem rechten Wege sei. Als er zu des Richters Teich, der 
nahe bei dem Gerichte ist, kommt, sieht er abermals fünf bis sechs 
Paar verschleierte Weiber daher kommen, die über den Steig, darüber 
er auch gewollt, gehen, daß er nicht weiß, was er thun soll. Er lässet 
aber dem Pferde seinen Gang; dasselbe ist des Weges wohl gewohnt, 
will jedoch über den Steig nicht gehen, sondern lenket sich mit Schnau— 
ben neben demselben durch ein Bächlein, und bringet so seinen Reiter 
gesund nach Hause, wie wohl es sehr geschwitzet. Des andern Tages 
hat es der Müller ausgesagt und hat ihm nichts geschadet. 
  
44. Die weiße Frau im Pfarrgarten zu Meerane. 
(Leopold, Chronik und Beschr. der Stadt Meerane, S. 252.) 
In alter Zeit lebte auf dem Schlosse zu Meerane ein Herzog, 
der von seiner Gemahlin keine Kinder bekam. Daher nahmen sie ein 
junges Mädchen, eine Gräfin, an Kindesstatt an. Als diese 17 Jahr 
alt war, starb des Herzogs Gattin. Sie ward bald vergessen und 
kurze Zeit darauf von dem Herzoge jenes Mädchen zur zweiten Ge- 
mahlin erwählt, welche ihm in der Folge zwei Kinder gebar, einen 
Knaben und ein Mädchen. Auch der Vater starb, als jener acht, dieses 
zwei Jahre alt war, und die junge Witwe ließ sich bald darauf den 
Zutritt eines fremden, ihr nicht ganz ebenbürtigen Mannes gefallen. 
Als er nun während der Zeit seiner Bewerbungen einmal wieder ab- 
reiste, hatte er die Worte fallen lassen: es sei alles gut, wenn nur 
vier Augen nicht wären. Das verblendete Weib und die dabei unnatür- 
liche Mutter deutete obige Worte so, daß ihr Liebhaber sie gern heiraten 
würde, wenn nur ihre zwei Kinder nicht wären. Und sofort war auch 
ihr Entschluß gefaßt. Die Wartefrau mußte mit den beiden Kindern 
in den nahen Wald, das Gottesholz, gehen und ein gedungener Böse- 
wicht alle drei ermorden. Die Wartefrau fiel als erstes Opfer. Als 
der Knabe sie in ihrem Blute hinsinken sah, fiel er dem Mörder um 
den Hals und versprach, er wolle ihm fünf Rittergüter von seinen acht 
eben, wenn er ihn nur leben ließe. Doch auch ihm senkte der Schänd- 
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