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56. Die Jungfrau des Grauensteins bei Joachimsthal.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 64 2c.)
Sehr viel wird von der Grauensteiner Jungfrau erzählt, welche
keinen Kopf hat und sich zuweilen blicken läßt. Einst ging ein Weib
von Joachimsthal nach Holz, da bemerkte sie einen schönen rasigen
Platz, auf dem sich Wäsche ausgebreitet fand. Darauf zugehend, um
es näher anzuschauen, bemerkte sie, daß die Wäsche immer reiner und
schöner ward. In ihrem Innern regte sich der Wunsch, ein Stück
Wäsche zu nehmen, was sie auch that. Plötzlich hörte sie hinter sich
ein Geschrei; als sie aber, sich umsehend, niemanden bemerkte, nahm
sie noch ein Stück Wäsche und ging ihren Weg, auf ein abermaliges
Rufen nicht achtend. Sie erreichte eben einen Kreuzweg, als die unbe-
kannte Stimme zum dritten Male sich hören ließ: „Wenn kein Kreuz-
weg gekommen wäre, wärest Du des Todes!“ Höätte sie alle Wäsche
gestohlen, so wäre die Grauensteiner Jungfrau erlöst worden.
Es geht noch die Sage, daß das Weib an derselben Stelle, wo
es ein Stück Linnen erbeutete, um Mitternacht eine wundersam blaue
Flamme als Wahrzeichen eines verborgenen Schatzes emporschlagen
sah. Als sie, um den Geist zu bannen und den Schatz zu heben,
ihren Rosenkranz in den blauen Flammenschein geworfen hatte, siehe
da! des Morgens lagen an dieser Stelle zwei funkelnde Silbersiebzehner.
Eines Tages ging ein altes, gebücktes Mütterchen in den Wald,
um dürre Reiser zu sammeln. Als die Alte in der Nähe des Grauen-
steines das aufgeschichtete Reisigbündel zusammengebunden hatte und
es auf den Rücken nehmen wollte, tönte ihr von dort bezaubernder
Gesang entgegen. Das Mütterchen lauschte eine Weile, faßte sich
dann ein Herz und schritt dem Grauensteine zu. Doch welch eine Über-
raschung! Es erblickte daselbst ein prächtiges Schloß, vor dem eine
schöne, weißgekleidete Jungfrau Wäsche bleichte. Kaum wurde die
Jungfrau des Weibes ansichtig, so zog sie sich stillschweigend und lang-
sam hinter die Mauern des Schlosses zurück. Als aber das herzhafte
Mütterlein nach einem Stück Wäsche griff und mit dem gestohlenen
Gut davontrippelte, verschwand unter Blitz und Donner das Zauber-
schloß, an dessen Stelle wieder die Halde war. — Wie die Sage
weiter erzählt, soll das Weib, das auf diesen weggenommenen Linnen
ein paar Jahre gelegen hat, darauf schmählich verkommen sein.
Der Bergschmied Bernhard ging eines Tages nach der Schönerz-
zeche, um dort sein Gezähe in Ordnung zu bringen, all die Fäusteln
und Stopfer, Stecher und Bohrer, Hacken und Sägen, mit denen der
Bergmann hantiert. In der Mondscheinnacht kam er zwischen elf
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