557 zwölf Uhr am Grauensteine an. Potztausend! Auf der un.
Wiese, wo weitum keine Einschichte liegt, rings Wäsche um Wäsche,
die ganze Wiese ist von Linnen vollauf überspannt. Bernhard nahm
sich sein klopfendes Herz in die Hand, und eine innere Stimme sagte
ihm: Eil für wen liegt so herrliche Wäsche ausgespannt? die Geister
haben genug daran, unsereins wäre reich fürs ganze Leben! Greif zu,
Bernhard! Nimm, so viel du schleppen kannst! Und er griff zu, faßte
die Wäsche mit beiden Händen, schlug sie über den Rücken, wand sie
um den Leib und lief hastig; doch horch! Hollahl hinterher welch ein
Gepolter, welch ein Getümmel, welch ein Gekrach! Ist der Grauen-
stein geborsten? Schnell, wie er sie zusammenraffte, warf er die Wäsche
wieder von sich. — Da hat er die Poltergeister versöhnt; denn mit
einemmale ist es stille geworden ringsum, und die Wäsche war ver-
schwunden, als er sich umsah, und er lief voll Entsetzen nach der
Schönerzzeche.
Einem Weibe aus Joachimsthal träumte in einigen aufeinander
folgenden Nächten, sie solle auf ihre unweit des Grauensteins gelegene
Wiese gehen, dann könne sie reich werden. Als sie sich endlich in einer
mondhellen Nacht auf den Weg machte und zwischen 11 und 12 Uhr
auf der Wiese anlangte, sah sie zu ihrer Verwunderung auf der-
selben ringsum Kinderwäsche ausgebreitet. Find' ich auch kein Geld,
dachte sie, so lasse ich doch auch dieses Zeug nicht liegen. Sie nahm
also die Wäsche in ihre Schürze und trat die Heimkehr an. Doch
siehe! Kaum näherte sich das Weib einem Graben, da rührte es sich
mit einemmale in der Schürze und als sie dieselbe öffnete, erblickte
sie darin lauter zischende Ottern. Vor Jurcht und Ekel warf sie alle
in den Graben und lief bestürzt nach Hause; nur zwei Schlangen er-
reichten den jenseitigen Rand. Als das Weib des anderen Tages zu
dieser Stelle kam, fand sie zwei Häuschen Gold.
57. Die eifersüchtige tote Frau.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 943.) 1
Im Jahre 1666 im September hat sich in einer Bergstadt fol-
gendes begeben. Eine Frau war in der Fastenzeit gedachten Jahres
Todes verblichen. Da nun der Witwer zur andern Heirat schreiten
wollte, kam immer ein Gespenst in der Gestalt der verstorbenen Frau
und ängstigte ihn, daß er keine Ruhe haben konnte. Daher gebot er
seinem Gesinde, sie sollten in der Stube schlafen und ihr Bette vor
seine Schlafkammer schieben. Am Donnerstage zuvor spricht das Gesinde:
err, wenn ihr doch zuvor, ehe ihr wieder Bräutigam seid, eurer
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