Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
das in einen Schleier gehüllte Fräulein und warf jedem ein 
Sträußchen in den Schoß. Der eine von ihnen steckte dasselbe in 
eine Tasche seines Kittels, der andere aber warf es weg. Als 
am nächsten Morgen derjenige, welcher sein Sträußchen eingesteckt 
hatte, den Kittel wieder anziehen wollte, kam ihm derselbe so schwer 
vor, und da er in die Tasche griff, um nachzusehen, zog er sein 
Sträußchen heraus, welches sich in pures Gold verwandelt hatte. Voll 
Freude teilte er dies seinem Kameraden mit. Da nun derselbe eilends 
nach der Ochsenwiese lief, um das andere Sträußchen zu suchen, konnte 
er es nirgends finden und er mußte unverrichteter Sache wieder nach 
Hause zurückkehren. 
  
Ähnlich ist die Sage von den Musikanten aus Kleingölitz, welche des Nachts 
am alten Schlosse vorbeigehen und dem alten Grafen, welcher in der Burg um— 
geht, ein Ständchen bringen. Jeder von ihnen erhält ein grünes Buchenreis, welches 
jedoch nur einer behält; am andern Morgen sieht er, daß es vom reinsten Golde ist. 
(Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 193.) 
  
63. Gespenstische Frauen in Eibenstock. 
(Mündlich.) 
Wenn man in Gibenstock in der Johannisnacht um 12 Uhr um 
eine gewisse Straßenecke geht, so sieht man eine weiße Frau mit einem 
weißen Tragkorbe. Redet man dieselbe furchtlos an, so wird man 
von ihr beschenkt. — Auf dem alten Gottesacker befindet sich eine Be- 
gräbnishalle, in welcher oft des Nachts eine Frau mit einem Kindlein 
auf dem Arme gesehen wurde, die heftig weinte. Welche Bewandnis 
es mit dieser Frau hat, kann niemand sagen. 
  
64. Die alte Frau in der Isenburg. 
(Mündlich.) 
In dem jetzigen Mehlhornschen Gute neben der Pfarre in Wild- 
bach diente vor Jahren ein Mädchen, welches draußen bei der damals 
noch besser erhaltenen Isenburg die Kühe hüten mußte. Zu diesem 
Mädchen kam eines Vormittags eine alte Frau, welche von ihm ver- 
langte, es solle mit ihr gehen. Sie führte dasselbe hierauf zwischen 
das zerfallene Gemäuer der Burg und hier in ein bis dahin verbor- 
gen gewesenes Zimmer, dessen Thür sie wieder zuschloß. Dann ver- 
langte sie, das Mädchen solle ihr das Zimmer kehren. Als solches 
geschehen war, gab sie ihm zum Lohne 2 Groschen. Dies wieder- 
holte sich vielmals; jedesmal, wenn das Mädchen das Wohnzimmer 
  
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