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1 Bratspieß mitgebracht und hin und wieder in der Kammer mit solchem
gegen den Boden gefühlt. Da man nun wirklich anfing, den Berg
wieder einzufüllen, hat es nicht allein mit Ziegeln und Steinen um
sich geworfen, daß die Arbeitenden davon liefen, sondern es hat auch
in der folgenden Nacht die Betten des Frauenvolks mit Schutt und
Erde bestreut, daß darüber etlichen, zumal den Mägden, der Mund
mit Erde angefüllt ward, den sie im Schlafen offen gehalten.
Als nun die Nähterin nicht wieder mit dem Gespenst allein
gehen wollte, hat dieses ihr vorgeschlagen, das 3jährige Söhnlein des
Superintendenten mitzunehmen, von welchem die weiße Frau gesagt,
sie habe sich gefreut, als es geboren worden, denn es werde sie er-
lösen. Wirklich hatte man bemerkt, daß seit der Geburt dieses Kindes
sich das Gespenst sehen ließ; es kam auch mit einem großen Bund
Schlüssel in die Kammer, wo die Schwester des Superintendenten
schlief, und sagte: Nun ist der geboren, der mich erlösen wird! Als
später die Kindermagd einmal das Knäblein mit sich ins Bett genommen,
ist das Gespenst darauf losgegangen und hat es aus dem Bett reißen
wollen mit den Worten: „Harre, harre, Du bist mein!“ Darüber ist
die Magd aufgewacht, hat aber das Kind so fest an seinem Hemdchen
gehalten, daß dasselbe entzweiriß, das Gespenst aber hat das Kind fahren
lassen und ist auf die Magd gefallen und hat solche dermaßen gedrückt,
daß sie kaum mehr Atem holen können. Von dieser Zeit an hat sich das
Gespenst aber auch in der eigenen Schlafkammer des Superintendenten,
wo dessen Söhnlein in einem Gitterbettlein schlief, eingefunden, hat
dasselbe öfter beunruhigt, die Flügel in dem Bettchen aufgemacht und
es gereizt, es solle aufstehen und mitgehen, sie wolle ihm schöne gelbe
Pfennige geben, es hat auch dergleichen Goldstücke mitgebracht und
dem Kinde gezeigt. Während dem ist aber die Nähterin einmal
über das andere von dem Gespenste genötigt worden, sie möge doch
nur einmal mitgehen, weil auch das Kind mitkommen werde, es solle
weder ihr noch dem Kinde ein Leid geschehen, und sie werde soviel
finden, daß sie für ihre Lebtage daran genug haben werde. Daher
hat sie eines Tages ihre Zeit und Gelegenheit abgesehen, ist auf das
Geheiß des Gespenstes aufgestanden und in die Studierstube gegangen
und hat dort so lange geharrt, bis die weiße Frau das Knäblein aus
seinem Bettchen genommen, auf den Arm gehoben und hineingebracht
hat, welches in der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr geschehen ist. Nach-
dem sich aber mit der Thüre ein großes Gerassel erhoben, auch der
Wachsstock, den das Gespenst nebst einem langen Briefe mit Mönchs-
schrift beschrieben, in der rechten Hand gehabt, sehr helle, wie wenn
des Morgens die Sonne aufgeht, geleuchtet, ist das Knäblein gleich
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