Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
67. Die Entbindung im Grabe zu Olbernhau. 
(Nach Iccander, Sächs. Kernchronik, bei Gräße, Sagenschatz des K. S., 
No. 453.) 
In Olbernhau starb im Jahre 1719 eine hochschwangere Frau 
und ward gewöhnlicher Weise begraben. Da kommt einige Tage da- 
rauf ein Student auf den Kirchhof und liest dort die Inschriften 
der Grabsteine. Plötzlich sieht er auf einem Grabe eine weinende 
Frauensperson stehen, die auf sein Befragen, warum sie das thue, 
antwortet: „Ach, daß Gott erbarm, ein Kind und keine Windeln!“ 
Da hat der Student aus Mitleid sein Halstuch abgebunden und es 
ihr zugeworfen, worauf sie sogleich verschmunden war. Nun hat den 
Studenten eine große Angst befallen, es möge diese Person kein leben- 
des Wesen, sondern ein Gespenst gewesen sein, er ist also sogleich 
zum Ortsgeistlichen und in's Amt gegangen und hat die Sache ange- 
zeigt, worauf die Obrigkeit jenes Grab öffnen ließ und man fand, 
daß jene Frau im Grabe ein Kind geboren hatte, welches tot zu ihren 
Füßen in das Halstuch des Studenten, welches dieser, durch seinen 
darin gestickten Namen als sein recognosciert hat, eingewickelt lag. 
  
68. Der Katzenhans und seine Genossen. 
(F. A. Türke im Glückauf, Jahrg. 2, No. 3.) 
Zwischen den Feldern von Neudorf und Crottendorf liegt ein 
schmaler Streifen Staatswaldung, die Braunelle genannt, in welchem 
die Sage den Katzenhans des Nachts sein Wesen treiben läßt. Sein 
weithin tönendes „hollerndes“ Geschrei schreckt den Einsamen und 
treibt ihn auf Irrwege. Zuweilen begiebt er sich auch durch die Luft 
über Crottendorf hinweg nach einer sumpfigen Gegend zwischen diesem 
Orte und Scheibenberg, um allda sein Wesen zu treiben. Die Sage 
berichtet aber nicht mehr, wer jener Katzenhans gewesen sei und woher 
es komme, daß er gerade dort sein Wesen treibe. Sein Parteigänger 
ist der Glasmeister mit sehr großen Glasaugen, der in der oberen 
Braunelle, da, wo die Straße von Neudorf nach Crottendorf den 
Wald durchschneidet, den Wanderer in der Nacht schreckt und irre führt. 
Ob sein Herkommen auf die ehemalige Glashütte in Ober-Crottendorf 
zurückzuführen ist, weiß aber niemand zu sagen. — Ist nun der Fuß- 
gänger des Nachts glücklich durch Ober-Crottendorf und ein gutes 
Stück auf der Straße nach Scheibenberg weiter gekommen, so beglei- 
tet ihn eine gespenstische Laterne eine gute Strecke. 1 
  
60
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.