100 Zweiter Teil. Bestimmungen für die afrikanischen und die Büdsee-Schutzgebiete.
bedeutet etwas Tatsächliches, den Gegensatz zur Unordnung, wie auch etwas
Rechtliches, die öffentliche Rechtsordnung. Die Polizei kann danach zum
Schutze des öffentlichen Rechts, insbesondere des Strafrechts und des Verwal-
tungsrechts, gleichviel, ob dessen aufrechtzuerhaltende Norm zur Abwendung
von Gefahren oder zur Förderung des allgemeinen Wohles aufgestellt ist, ein-
schreiten; nicht aber zum Schutze des Privatrechts, es sei denn, daß private
Rechte durch eine strafbare Handlung bedroht sind oder der Bedrohte die Ge-
fahr zu vermeiden oder abzuwenden außerstande ist oder die Polizei durch be-
sondere gesetzliche Vorschrift zur Tätigkeit berufen ist.
„Gefahren“ sind Zustände, welche die Besorgnis begründen, daß sie einen
Schaden herbeiführen werden. Bloße Nachteile, Störungen oder Belästigungen
sind keine Gefahren im Sinne der Vorschrift. Nur erhebliche Gefahren erfor-
dern ein polizeiliches Einschreiten. Sie müssen „bevorstehend“, d. h. nach ver-
ständigem Ermessen zu befürchten sein, und es reicht weder eine bloß mögliche,
in weiter Ferne liegende Gefahr aus, noch ist eine unmittelbar bevorstehende
Gefahr Voraussetzung.
2a. Soweit die Polizei zum Schutze des Strafrechts mitberufen ist (s.
Nr. 1), ist sie ein Hilfsorgan des Bezirksgerichts, des Obergerichts und der
Staatsanwaltschaft, und hat deren Ersuchen zu erledigen (vgl. 88 2, 3, 6 Nr. 2
des Schutzgebietsgesetzes, $ 56 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit,
$ 5 der Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den
deutschen Schutzgebieten, vom 9. November 1900, $ 153 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes).
Im einzelnen ergeben sich die Befugnisse und Obliegenheiten der Polizei
auf dem Gebiete der Strafrechtspflege, namentlich hinsichtlich der Feststellung
des Tatbestandes, der Befugnis zu Vernehmungen, Beschlagnahmen und Durch-
suchungen, Verhaftungen und vorläufigen Festnahmen aus der StrafprozeBord-
nung (vgl. insbesondere $8 156 ff., 8 94, 88 112 fl.).
2b. Die Polizeibehörden sind ferner an der Strafrechtspflege insofern
mitbeteiligt, als sie Übertretungen gegen die Strafgesetze und Strafverordnun-
gen im Wege polizeilicher Strafverfügungen ahnden, vorbehaltlich des Antrags
des Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidung (für die Schutzgebiete jetzt
durch die 8$ 23 bis 28 der Kaiserlichen Verordnung geregelt).
Die polizeilichen Strafverfügungen unterscheiden sich einerseits von den
Polizeiverfügungen dadurch, daß letztere erst Gebote und Verbote schaffen, di»
dann mit Zwangsmitteln, einschließlich Strafzwanges, durchgesetzt werden,
anderseits von den in & 15 des Schutzgebietsgesetzes erwähnten „polizeilichen
und sonstigen, die Verwaltung betreffenden Vorschriften‘ dadurch, daß diese in
Ergänzung der bestehenden Gesetze neue Rechtsnormen schaffen, — wogegen die
polizeilichen Strafverfügungen die Nichtbefolgung vorhandener Rechtsnormen
ahnden.
Polizeiverfügungen und „polizeiliche Vorschriften“ im Sinne des 8 15 des
Schutzgebietsgesetzes unterscheiden sich ihrerseits dadurch, daß die ersteren
konkrete Fälle regeln wollen, die letzteren abstrakte, objektive Rechtsnormen
schaffen (weshalb diese Befugnis auch lediglich dem Reichskanzler und den von
ihm durch die Verfügung vom 27. September 1908, Kol. Bl. S. 509,*) ermächtig-
ten Beamten vorbehalten ist).
3. Auch abgesehen von der Verfolgung strafbarer Handlungen (Nr. 2)
*) D. Kol. Gesetzgeb. 1903 S. 214.