Prisenordnung. 67
Welche Flagge ein Schiiff zu führen berechtigt ist, ergibt sich nach dem Flaggen=
recht fast aller Seestaaten aus einer amtlichen Urkunde (Schiffs=, Register=, Nationa=
litäts=Zertifikat, Lettre de mer, Acte de Francisation, Zeebrief, Paß, Patent,
Fribreef usw.), die jedes Kauffahrteischiff an Bord haben muß.
Kann die Nationalität eines Schiffes nicht einwandfrei festgestellt werden, fehlt
insbesondere die nach dem Flaggenrecht des betreffenden Staates erforderliche Ur=
kunde, so ist das Schiff als feindliches zu behandeln.
12. Als feindliche Schiffe sind ferner diejenigen zu behandeln, die nach Beginn
der Feindseligkeiten von der feindlichen zu einer neutralen Flagge übergegangen
sind, wenn
a) entweder der Kommandant nicht die Überzeugung gewinnt, daß der
Übergang auch ohne den Ausbruch des Krieges erfolgt wäre, z. B. infolge
von Erbgang, Bauvertrag;
b) oder der Übergang bewirkt ist, während das Schiff sich auf der Reise oder
in einem blockierten Hafen befand;
c) oder ein Rückkaufs= oder ein Rückfallsrecht vorbehalten ist;
d) oder die Bedingungen nicht erfüllt worden sind, von denen das Flaggenrecht
nach der Gesetzgebung des Flaggenstaates abhängt.
13. Ist der Übergang zur neutralen Flagge innerhalb von 30 Tagen vor
dem Ausbruch der Feindseligkeiten erfolgt, so ist das Schiff als feindliches zu be=
handeln, wenn
a) entweder die für die Gültigkeit des Überganges erforderlichen rechtlichen
Bedingungen nicht erfüllt sind, also tatsächlich ein gültiger Übergang zur
neutralen Flagge nicht stattgefunden hat;
b) oder begründete Aussicht besteht, vor dem Prisengericht zu beweisen, daß
der Übergang erfolgt ist, um das Schiff den Folgen seiner Eigenschaft als
feindliches Schiff zu entziehen (vgl. 12a), so namentlich, wenn das Schiff
nach dem Übergang weiter in der gleichen Fahrt wie vorher verwendet wird;
c) oder die Übertragungsurkunde nicht an Bord ist, es sei denn, daß ge=
wichtige Gründe dafür sprechen, daß der Übergang auch ohne den Kriegs=
ausbruch erfolgt wäre (vgl. 12a); die Aufbringung des Schiffes gibt in
solchem Falle nie zu Schadensersatz Anlaß (vgl. 8).
14. Ist der Übergang zur neutralen Flagge früher als 30 Tage vor dem
Ausbruch der Feindseligkeiten erfolgt, so ist das Schiff nur dann als feindliches zu
behandeln, wenn
a) der Übergang später als 60 Tage vor Ausbruch der Feindseligkeiten er=
folgt ist, wenn ferner
b) der Übergang nur bedingt oder unvollständig ist oder der Gesetzgebung der
beteiligten Länder nicht entspricht oder zur Folge hat, daß die Kontrolle
über das Schiff oder der Gewinn aus seiner Verwendung in denselben
Händen wie vorher verbleibt, und wenn außerdem
c) begründete Aussicht besteht, vor dem Prisengericht zu beweisen, daß der
Übergang erfolgt ist, um das Schiff den Folgen seiner Eigenschaft als
feindliches Schiff zu entziehen.
Dieses kann im besonderen angenommen werden, wenn sich die
Übertragungsurkunde nicht an Bord befindet; die Aufbringung des Schiffes
gibt in solchem Falle nie zu Schadensersatz Anlaß (vgl. 8).
15. Ist der Kommandant nicht in der Lage festzustellen, welcher Flagge ein
zu einer neutralen Flagge übergegangenes Schiff vorher angehört hat, so ist er be=
rechtigt anzunehmen, daß es der feindlichen Flagge angehört hat.
16. Als feindliches Schiff ist ferner ein neutrales Schiff zu behandeln, wenn es:
a) eine Schiffahrt betreibt, die ihm von der feindlichen Staatsgewalt erst nach
Ausbruch des Krieges oder innerhalb zweier Monate vorher gestattet ist,
b) sich den Maßnahmen des Prisenrechts gewaltsam widersetzt; gegen das