Gnadenerlasse.
1. Die durch den Gnadenerlaß angeordnete Löschung von Strafvermerken
in den polizeilichen Listen gilt als am 27. Januar 1916 vollzogen. Spätere
Bestrafungen bleiben also unberüchsichtigt.
Es ist nicht erforderlich, daß alle Straflisten (Strafblätter, Straf-
mitteilungen, Personalakten und dgl.) alsbald darauf durchgesehen werden,
ob Löschungen vorzunehmen sind. Es bleibt vielmehr dem Ermessen
jeder Ortspolizeibehörde zunächst überlassen, ob und wann eine solche
allgemeine Durchsicht mit den sonstigen Geschäften vereinbar ist. Jeden-
falls aber muß die Löschung tatsächlich ausgeführt werden, wenn sie vom
Bestraften oder einem Angehörigen ausdrücklich erbeten wird, und wenn
auf eine Anfrage über die Führung des Bestraften Auskunft zu erteilen
ist oder die Personalakten zu übersenden sind.
2. Bevor zugunsten einer bestraften Person Löschungen vorgenommen wer-
den, ist epren
a) daß sich Strafen vermerkt finden, welche vor dem 27. Januar 1906
(einschließlich) von irgend einem deutschen Gericht oder einer deutschen
Polizeibehörde ausgesprochen sind;
b) daß vor dem 27. Januar 1906 keine schwerere Strafe verhängt
war als
Gefängnis bis zu einem Jahr einschließlich,
Festungshaft bis zu einem Jahr einschließlich,
Arrest,
Haft,
Geldstrafe,
Verweis,
p 5 allein oder in Verbindung miteinander oder mit irgendeiner Neben-
trafe;
J) daß sich aus der Zeit vom 27. Januar 1906 bis zum 27. Januar 1916
keine weitere, wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich
verhängte Strafe vermerkt findet.
3. Fehlt es an einer dieser drei Voraussetzungen (Ziffer 2), so unterbleibt
jede Löschung; es ist nur irgendeiner Form die erfolgte Prüfung zu ver-
merken. Die mit Zuchthaus Bestraften sind also ohne weitere Prüfung
von der Löschung auszuschließen.
Liegen dagegen nach der polizeilichen Strafliste die drei Voraus-
setzungen sämtlich vor, so ist durch eine Anfrage bei der Strafregister-
behörde (Ziffer 4) festzustellen, daß auch nach dem Strafregister die Vor-
aussetzungen unter Ziffer 2b und c vorhanden sind. Von dieser Anfrage
ist nur dann abzusehen, wenn durch einen bereits vorhandenen Straf-
registerauszug aus neuester Zeit oder auf andere Weise jeder Zweifel
über die Vollständigkeit der polizeilichen Strafliste beseitigt wird.
4. Welche Strafregisterbehörde zu fragen ist, wird durch den Geburtsort des
Bestraften bestimmt. Strafregisterbehörde ist
für Berlin, seine Vororte und seine weitere Umgebung, nämlich für
die Landgerichtsbezirke Berlin I, II und III: die Staatsanwalt-
schaft 1 in Beriln NW 52,
im übrigen Preußen für jeden Landgerichtsbezirk: die Staatsanwalt-
aft,
für den Amtsgerichtsbezirk München I: die Polizeidirektion München,
im übrigen Bayern für jeden Amtsgerichtsbezirk: der Amtsanwalt,
im Königreich Sachsen für jeden Amtsgerichtsbezirk: der Amtsrichter,
in Württemberg für jede Gemeinde: der Ortsvorsteher,
in Baden für jeden Amtsgerichtsbezirk: das Amtsgericht,
in Hessen für jeden Landgerichtsbezirk: die Staatsanwaltschaft,
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