Metadata: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die besonderen Zivilgerichte. (8. 105.) 707 
Die näheren Vorschriften über die Wahl gibt das Statut gemäß den Bestimmungen 
des §. 15 über etwaige Berücksichtigung bestimmter gewerblicher Gruppen, Verhältnis- 
wahl, Wählerlisten, sowie der §. 16, Abs. 2 über Hausgewerbetreibende. 
Beschwerden gegen die Rechtsgültigkeit der Wahlen können binnen eines Monats 
nach der Wahl erhoben werden und sind durch die höhere Verwaltungsbehörde zu ent- 
scheiden; Wahlen, welche gegen das Gesetz oder die gesetzlich erlassenen Wahlvorschriften 
verstoßen, sind für ungültig zu erklären (§. 17, Abs. 1). Sind Wahlen nicht zustande 
gekommen oder wiederholt für ungültig erklärt worden, so kann die höhere Verwaltungs- 
behörde die von Arbeitgebern oder Arbeitern vorzunehmenden Wahlen durch Magistrat 
oder Gemeindevertretung vollziehen lassen, Vorsitzenden und Stellvertreter aber selbst er- 
nennen (§. 18). Namen und Wohnort der Mitglieder des Gerichts sind öffentlich be- 
kannt zu machen (§. 19). 
3. Die Wahl des Vorsitzenden und Stellvertreters bedarf staatlicher 
Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde, außer bei Staats= oder Gemeinde- 
beamten, die staatlich ernannt oder bereits staatlich bestätigt sind (§. 17, Abs. 2). Vor- 
sitzende und Stellvertreter werden vor ihrem Amtsantritt von Staats wegen, die Beisitzer 
durch den Vorsitzenden auf die Erfüllung der Obliegenheiten des ihnen übertragenen 
Amtes eidlich verpflichtet (§. 22). In diesen Vorschriften prägt sich scharf der Gedanke 
der wenn auch besonderen, so doch zweifellos staatlichen Gerichtsbarkeit — „die Ge- 
richte sind Staatsgerichte“ — aus. Das Amt der Beisitzer ist Ehrenamt und kann 
nur aus den für die Ablehnung von unbesoldeten Gemeindeämtern gesetzlich zugelassenen 
Gründen abgelehnt werden. üÜber die Ablehnung entscheidet der Magistrat beziehungsweise 
die Gemeindevertretung; die Beisitzer erhalten Ersatz für Reisekosten und Zeitversäumnis 
nach näherer Bestimmung des Statuts (§. 20). Wegen Nichterscheinens oder anderweiter 
Nichterfüllung der Amtspflichten können durch den Vorsitzenden gegen die Beisitzer Ord- 
nungsstrafen bis zu 300 Mark verhängt werden; dagegen ist Beschwerde an das örtlich 
zuständige Landgericht statthaft (§. 23). Bei „grober Verletzung seiner Amtspflicht“ kann 
ein Mitglied des Gewerbegerichts auf die nach Antrag der höheren Verwaltungsbehörde 
durch die Staatsanwaltschaft zu erhebende Klage vom Landgericht seines Amtes entsetzt 
werden; für Verfahren und Rechtsmittel gilt eine Klage dieser Art als Strafsache (§. 21, 
Abs. 3). Mitglieder, welche die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften verlieren, 
sind durch die höhere Verwaltungsbehörde ihres Amtes zu entheben (§F. 21, Abs. 1). 
4. Zm einzelnen Falle entscheidet das Gewerbegericht in der Besetzung von drei 
Mitgliedern; doch kann statutarisch allgemein oder für gewisse Dinge eine höhere Zahl 
vorgeschrieben werden, jedenfalls aber muß die Zahl von Arbeitgebern und 
Arbeitern bei der Besetzung gleich sein (§. 24). Jedes Gewerbegericht hat eine 
Gerichtsschreiberei; als Gerichtsvollzieher können Gemeindebeamte verwendet werden (§. 25). 
5. Über die Zuständigkeit der Gewerbegerichte bestimmt das Gesetz folgendes: 
A. Zuständig sind die Gewerbegerichte für folgende Streitigkeiten: 
a) über den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, so- 
wie über die Aushündigung oder den Inhalt des Arbeitsbuches, Zeugnisses, Lohnbuches, 
Arbeitszettels oder Lohnzahlungsbuches; 
b) Über die Leistungen aus dem Arbeitsverhältnisse; 
c) Über die Rückgabe von Zeugnissen, Büchern, Legitimationspapieren, Urkunden, 
Gerätschaften, Kleidungsstücken, Kautionen und dergleichen, welche aus Anlaß des Arbeits- 
verhältnisses übergeben worden sind; 
d) über Ansprüche auf Schadenersatz oder auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen 
Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen, welche die unter a—c 
bezeichneten Gegenstände betreffen, sowie wegen gesetzwidriger oder unrichtiger Ein- 
tragungen in Arbeitsbücher, Zeugnisse, Lohnbücher, Arbeitszettel, Lohnzahlungsbücher, 
Krankenkassenbücher oder Quittungskarten der Invalidenversicherun;g: 
e) über die Berechnung und Anrechnung der von den Arbeitern zu leistenden Kranken- 
versicherungsbeiträge und Eintrittsgelder (8§. 53 a, 65, 72, 73 des Krankenversicherungs- 
gesetzes; vgl. dazu auch noch die erweiternde Vorschrift des F. 83); 
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