8 9. Turnen. 149
„Der Lehrer soll unter Vermeidung wesentlicher Anforderungen an
das Gedächtnis der Schüler besonders die Erziehung derselben zur
Tatkraft, zur Entschlossenheit und Ausdauer als Aufgabe des Turn-
unterrichts betrachten.“ „In der Turnstunde ist vor allem auf
Gehorsam, Ordnung und Wohlanständigkeit zu halten; die Schüler
sollen an willige Unterordnung und sofortige Ausführung eines jeden
Befehls gewöhnt werden." „Beim Turnen handelt es sich namentlich
auch um Ubungen, die zugleich die Gewöhnung an anständige Haltung
des Körpers bezwecken.“
Vergl. hierzu den Bericht der Gesetzgebungsdeputation der II. Kammer
(v. 22. Dez. 1881) zu dem Anmerkung 3 gedachten Allerhöchsten Dekrete,
den Turnunterricht in einfachen Volksschulen betreffend: „Bei Erlaß
des Volksschulgesetzes gingen die gesetzgebenden Faktoren von der auch
jetzt noch feststehenden Ansicht aus, daß der Turnunterricht für unsere
Jugend nicht nur in sanitärer Beziehung und als notwendiger Aus-
gleich für die derselben auferlegten geistigen Anstrengungen unentbehr-
lich sei, sondern man legte auch den höchsten Wert auf dessen erziehende,
pädagogische Seite; man war allseitig der Meinung, daß der Turn-
unterricht nicht nur den Körper kräftiger, gewandter und widerstands-
fähiger mache, sondern daß derselbe auch intensiv auf Geist und Gemüt
der Jugend einwirke, die Selbstbeherrschung ausbilde, Mut und Ent-
schlossenheit, Ordnungsliebe und Gehorsam fördere, Schönheitssinn und
Geschmack erwecke. Kann man bis zu einem gewissen Grade auch zu-
geben, daß die Einwirkung des Turnunterrichts auf die Kinder der
landwirtschaftlichen Bevölkerung in physischer Beziehung nicht die Wichtig-
keit habe wie für die Schuljugend der Städte und industriellen Be-
völkerung, so muß doch unbedingt daran festgehalten werden, daß
dieselbe in psychischer Beziehung nach keiner Richtung hin mehr entbehrt
werden kann.“
199) G.B.: „Der Unterricht kann schon in der Elementarklasse,
und zwar damit beginnen, daß der Lehrer in den Erholungspausen am
Orte, oder in den Freizeiten im Vorhause wie auf dem Spielplatze
einfache Freiübungen auf Befehl ausführen läßt.“ „Es empfiehlt
sich aus Rücksicht auf die Gesundheit, den Kindern der unteren Klassen
jeweilig auf kurze Zeit Gelegenheit zu leichten Frei= und Ordnungs-
übungen zu geben.“
„Diesen Vorübungen kann leicht der Charakter anmutiger und er-
munternder Turnspiele verliehen werden.“
Erfahrungsmäßig bringen die Kinder solchen Spielen, die den
Verkehr während der Pausen wohltätig regeln, meistens eine recht
lebhafte Teilnahme entgegen; sie empfehlen sich auch für die späteren
Schuljahre. Sind sie einmal eingeführt und beliebt geworden,
so pflanzen sie sich ohne besonderes Zutun durch Uberlieferung fort.
Dem Lehrer bleibt dann in der Hauptsache nur die Aufgabe einer
sorgfältigen Uberwachung, wobei er zu wertvollen Beobachtungen über
die Begabung und Eigenart der spielenden Kinder oft Gelegenheit
findet. Vergl.: Baunack, Lehrplan 2c.; Schreyer, Entwurf 2c.