Full text: Lehrplan für die einfachen Volksschulen des Königreichs Sachsen vom 5. November 1878.

54 8 3. Deutsche Sprache mit Lesen und Schreiben. 
Auf den späteren Unterrichtsstufen wird sich das Memorieren und 
Rezitieren gewöhnlich an die Besprechung von Lesestücken knüpfen; 
einige derselben — „vom dritten Schuljahre an jährlich mindestens fünf 
(Dippoldiswalde und Chemnitz I)“ — sind dann von sämtlichen 
Schülern der Klasse zu lernen. „Je größer allmählich die Lesefertigkeit 
der Kinder wird, desto mehr kann ihnen auch zugemutet werden, wohl 
besprochene Lesestücke (erst mit, später ohne Beihilfe des Lehrers) zu 
memorieren und in guter Sprache, wie mit angemessenem Ausdrucke 
vorzutragen. Die gelernten Stücke sind fleißig zu wiederholen, auch 
sonst sprachlich zu verwerten.“ 
Der Memorierstoff muß nach Inhalt und Form mustergültig sein. 
Die Auswahl desselben sollte besonders auch nach dem Gesichtspunkte 
ansprechender Volkstümlichkeit erfolgen. Ein von der Schuljugend 
allenthalben im Lande wohlerworbener und liebgewonnener Schatz guter 
Volkspoesie (beziehentlich mit Einschluß volkstümlicher Melodien) würde 
gewiß für die Veredelung des Volkslebens nicht ohne Bedeutung sein 
(G. B.). S. Anmerkung 187. 
Bezüglich der Auswahl des Memorierstoffes vergl. u. a. die Vorschläge 
in Grüllichs Lehrplan 2c., Schreyers Entwurf 2c., Reils Lehr- 
plänen und in den Lehrplänen für die Bezirke Glauchau und 
Chemnitz II. S. auch Grüllich, Unsere Seminararbeit, S. 134: 
Die Mitgift der Volksschule. 
  
36) Diese zwar allgemein bekannte Forderung wird von den G.B. 
doch so nachdrücklich wiederholt, daß sie im Lehrplane nicht übergangen 
werden durfte. 
„Die Schüler müssen, damit ihr geistiges Leben in munteren Fluß 
komme, mehr reden, aus sich herausgehen lernen, müssen im 
Denken und Sprechen an größere Selbständigkeit gewöhnt und dürfen 
beim Lehrgespräch nicht fort und fort an der Hand ermüdender, spielend 
leicht zu beantwortender, oft nur auf Nebensächliches gerichteter Fragen 
ängstlich geleitet werden, wie wenn ihnen höhere Anforderungen geradezu 
unzuträglich wären. Leicht genug finden sie sich in eine Methode, die 
ihre Selbständigkeit ernstlich in Anspruch nimmt“ „Man ist von 
früherher gewöhnt, kommt jedoch mehr und mehr davon zurück, im 
ununterbrochenen Geklapper des Frag= und Antwortspiels die Stärke 
des Lehrers zu sehen.“ "64 
Verfasser mag nicht für jene Vollständigkeit der Antworten 
eintreten, welche auf die peinliche Wiederholung des gesamten Wort- 
lautes selbst längerer Fragen besonderen Wert legt und sich — von 
dem Zeitverluste zu geschweigen — durch das Merkmal mechanischer 
Geschwätzigkeit nicht bloß dem feineren Ohre lästig macht. Wohl 
aber vertritt er auf das bestimmteste die Ansicht, daß die unter- 
richtliche Frage in der Volksschule nicht durch ein träges vereinzeltes 
Wort ihre Erledigung finden dürfe, sondern einen glatten, klaren, die 
Sache treffenden Satz als Antwort unbedingt fordern müsse. Dabei 
handelt es sich nicht allein um sprachliche und unterrichtliche, sondern 
auch um ethische Gesichtspunkte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.