54 8 3. Deutsche Sprache mit Lesen und Schreiben.
Auf den späteren Unterrichtsstufen wird sich das Memorieren und
Rezitieren gewöhnlich an die Besprechung von Lesestücken knüpfen;
einige derselben — „vom dritten Schuljahre an jährlich mindestens fünf
(Dippoldiswalde und Chemnitz I)“ — sind dann von sämtlichen
Schülern der Klasse zu lernen. „Je größer allmählich die Lesefertigkeit
der Kinder wird, desto mehr kann ihnen auch zugemutet werden, wohl
besprochene Lesestücke (erst mit, später ohne Beihilfe des Lehrers) zu
memorieren und in guter Sprache, wie mit angemessenem Ausdrucke
vorzutragen. Die gelernten Stücke sind fleißig zu wiederholen, auch
sonst sprachlich zu verwerten.“
Der Memorierstoff muß nach Inhalt und Form mustergültig sein.
Die Auswahl desselben sollte besonders auch nach dem Gesichtspunkte
ansprechender Volkstümlichkeit erfolgen. Ein von der Schuljugend
allenthalben im Lande wohlerworbener und liebgewonnener Schatz guter
Volkspoesie (beziehentlich mit Einschluß volkstümlicher Melodien) würde
gewiß für die Veredelung des Volkslebens nicht ohne Bedeutung sein
(G. B.). S. Anmerkung 187.
Bezüglich der Auswahl des Memorierstoffes vergl. u. a. die Vorschläge
in Grüllichs Lehrplan 2c., Schreyers Entwurf 2c., Reils Lehr-
plänen und in den Lehrplänen für die Bezirke Glauchau und
Chemnitz II. S. auch Grüllich, Unsere Seminararbeit, S. 134:
Die Mitgift der Volksschule.
36) Diese zwar allgemein bekannte Forderung wird von den G.B.
doch so nachdrücklich wiederholt, daß sie im Lehrplane nicht übergangen
werden durfte.
„Die Schüler müssen, damit ihr geistiges Leben in munteren Fluß
komme, mehr reden, aus sich herausgehen lernen, müssen im
Denken und Sprechen an größere Selbständigkeit gewöhnt und dürfen
beim Lehrgespräch nicht fort und fort an der Hand ermüdender, spielend
leicht zu beantwortender, oft nur auf Nebensächliches gerichteter Fragen
ängstlich geleitet werden, wie wenn ihnen höhere Anforderungen geradezu
unzuträglich wären. Leicht genug finden sie sich in eine Methode, die
ihre Selbständigkeit ernstlich in Anspruch nimmt“ „Man ist von
früherher gewöhnt, kommt jedoch mehr und mehr davon zurück, im
ununterbrochenen Geklapper des Frag= und Antwortspiels die Stärke
des Lehrers zu sehen.“ "64
Verfasser mag nicht für jene Vollständigkeit der Antworten
eintreten, welche auf die peinliche Wiederholung des gesamten Wort-
lautes selbst längerer Fragen besonderen Wert legt und sich — von
dem Zeitverluste zu geschweigen — durch das Merkmal mechanischer
Geschwätzigkeit nicht bloß dem feineren Ohre lästig macht. Wohl
aber vertritt er auf das bestimmteste die Ansicht, daß die unter-
richtliche Frage in der Volksschule nicht durch ein träges vereinzeltes
Wort ihre Erledigung finden dürfe, sondern einen glatten, klaren, die
Sache treffenden Satz als Antwort unbedingt fordern müsse. Dabei
handelt es sich nicht allein um sprachliche und unterrichtliche, sondern
auch um ethische Gesichtspunkte.